Schweiz will Migranten fernhalten: Abschreckung per Fernsehserie

Die Schweiz produziert eine TV-Serie für Nigeria. So sollen Migranten und Flüchtlinge von der Reise nach Europa abgehalten werden.

Mann und Frau sitzen gegenüber an Schreibtisch, im Vordergrund nimmt jemand die Szene mit einer TV-Kamera auf

Szene aus „The Missing Steps“: die erste Befragung in der Schweiz Foto: SRF/Samuel Burri

ABIDJAN taz | Auf einmal sind sie da: Zwei Polizisten, die in Bern durch einen Park laufen und dem jungen Nigerianer Joshua Angst machen. Noch kann er flüchten. Kurze Zeit später gelingt ihm das aber nicht mehr. Bei einer Kontrolle in der Straßenbahn gehen die Türen nicht mehr auf. Joshua fliegt als Migrant ohne Papiere in der Schweiz auf und wird abgeschoben.

All diese Szenen werden nach Informationen des Schweizer Rundfunks gerade erst gedreht. Trotzdem kann man sie sich eindringlich vorstellen: Das vor Angst verzerrte Gesicht des jungen Mannes; die Panik, die aufsteigt, sobald es in der schweizerischen Hauptstadt zu einer Routinekontrolle kommt; Joshuas wachsende Nervosität, wenn irgendwo am Bildrand ein paar Polizisten auftauchen.

Sie sollen so sehr abschrecken, dass es gar nicht erst soweit kommt. Denn der nigerianische Filmemacher Charles Okafor (56) dreht die 13-teilige Reihe unter dem Arbeitstitel „The missing Steps“ schließlich für den nigerianischen Markt. Die Aufnahmen aus Nigeria sollen schon fertig sein. Wann und auf welchem Sender die Serie jedoch ausgestrahlt wird, steht noch nicht fest. Wohl aber, wie viel sich die Schweiz die Serie kosten lässt: umgerechnet 422.559 Euro.

Finanziert wird sie im Rahmen der 2011 geschlossenen Migrationspartnerschaft. Eins ihrer Ziele ist die „Prävention irregulärer Migration“. Aus dem Staatssekretariat für Migration heißt es laut Schweizer Rundfunk. „Wir möchten objektive Informationen über die Migration liefern. Wir wollen zeigen, dass die Überfahrt mit Gefahren verbunden ist, dass die Chance auf Asyl sehr klein ist.“

Erfolgsgeschichte Nollywood

Für Nigeria ist es nicht ungewöhnlich, Filme mit dem erhobenen Zeigefinger zu drehen und zeigen, im Gegenteil. Am besten dafür bekannt ist Nigerias Filmindustrie Nollywood, die 1992 startete und heute als Erfolgsgeschichte gilt. Auf den ersten Blick haben die Filme, die meist im Süden des Landes gedreht werden, einen unterhaltenden Charakter.

Es wird viel gelacht und manchmal auch gesungen, dann wieder entsetzt geschaut, geschrien und lauthals gebetet. Gerade in den Anfangsjahren waren Ton- und Bildqualität zum Teil so schlecht, dass die Streifen kaum aushaltbar waren. Doch die allermeisten haben einen erzieherischen Charakter, und aus dem Menschen, der vom rechten Weg abgekommen ist, wird letztendlich doch noch ein guter. Die Handlung ist extrem vorhersehbar.

Aufklärung über Hexen

Mittlerweile nutzen aber auch Nichtregierungsorganisationen (NRO) die Filmbegeisterung. So ließ „Safe Child Africa“, eine britische NRO, die in Nigeria arbeitet, 2010 den Film „Der falsche Prophet“ drehen. Es ist ein Nollywood-Streifen, der über Kinderrechte aufklärt, vor allem aber anprangert, dass in Teilen des Landes bis heute Mädchen und Jungen als Hexen bezeichnet, verstoßen und sogar ermordet werden. Es gibt keine Zahlen darüber, wie häufig er gesehen wurde. Dennoch dürften so mehr Menschen erreicht werden als etwa über Informationsbroschüren oder Veranstaltungen.

Neu ist auch das Thema Migration nicht. Bereits 2003 entstand der vielbeachtete Film „Osuofia in London“. Anders als bei dem Projekt des Schweizer Staatssekretariats geht es dort ebenfalls um die Vorstellung von geglückter Migration. Im Jahr 2015 sollen Nigerianer laut einer Untersuchung der Weltbank 19,7 Milliarden US-Dollar zurück in ihr Heimatland geschickt haben. Damit wird Migration zur Erfolgsgeschichte, von der sich viele Menschen mehr anstacheln lassen dürften.

Wie weit sich potenzielle Migranten aufgrund der neuen TV-Serie abschrecken lassen, sei deshalb dahingestellt. Laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) steht Nigeria beim Überqueren des Mittelmeeres mittlerweile hinter Syrien und Afghanistan an dritter Stelle. In den vergangenen 13 Monaten kamen so offiziellen Angaben zufolge auf diesem Weg gut 38.000 Menschen nach Europa. Im Vergleich zu früheren Erhebungen steigt die Zahl. Gerade über die Gefahren bei Reise durch die Sahara und der Mittelmeer-Überquerung sind viele Migranten recht genau aufgeklärt.

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