Schweizer Regierungswahl: Linke jubeln über Blochers Scheitern

Rechtspopulist Blocher hat bei der Wahl der Regierung die nötige Mehrheit verfehlt. Die überraschend gewählte Gegenkandidatin ließ offen, ob sie das Votum annimmt.

Linke in Feierlaune: Freude über das Scheitern des Justizministers Blocher Bild: dpa

Sensation in der Schweizer Politik: bei der gestrigen Wahl der siebenköpfigen Regierung (Bundesrat) durch die gemeinsame Versammlung der beiden Kammern des Berner Bundesparlaments (Nationalrat und Ständerat) ist der heftig umstrittene bisherige Justizminister Christoph Blocher von der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei (SVP) zunächst gescheitert. Statt Blocher wurde Eveline Widmer-Schlumpf zur Bundesrätin gewählt, eine Vertreterin des moderaten SVP-Flügels und bislang Regierungsdirektorin für Finanzen im Kanton Graubünden. Unter massivem Druck der SVP-Partei- und Fraktionsführung, die Blocher in einem weiteren Wahlgang noch durchsetzen will, verschob Widmer-Schlumpf ihre Entscheidung, ob sie die Wahl annimmt, auf heute morgen.

Die anderen sechs bisherigen BundesrätInnen wurden wiedergewählt - darunter mit Verteidigungsminister Samuel Schmid ein weiterer Vertreter vom moderaten Flügel der SVP, je zwei Vertreter der Sozialdemokratischen Partei (SP) und der wirtschaftsliberalen FDP sowie einer von der Christlichen Volkspartei (CVP).

Auch die Wiederwahl Blochers zum Justizminister hatte als sicher gegolten. Unter seiner Führung war die SVP nach einem mit fremdenfeindlichen und nationalistischen Parolen geführten Wahlkampf bei den Parlamentswahlen Ende Oktober mit 29 Prozent zum zweiten Mal nach 2003 stärkste der fünf Fraktionen im Nationalrat geworden.

Doch hinter den Kulissen verständigten sich in den letzten Tagen die Fraktionen der SP, der CVP und der Grünen sowie etwa die Hälfte der Parlamentsmitglieder der FDP den Namen Blochers auf dem Wahlzettel durchzustreichen und durch den von Widmer-Schlumpf zu ersetzen.

Obwohl Widmer-Schlumpf offiziell nicht als Kanidation angetreten war, erhielt sie im zweiten Wahlgang die notwendige absolute Mehrheit von 125 der 232 gültigen Stimmen, Blocher lediglich 115. Damit erwies sich die Drohung der SVP im Fall einer Nichtwahl Blochers in die Opposition zu gehen als wirkungslos.

Auch Verteidigungsminister Schmid ließ sich von der Drohung seiner Parteiführung nicht beeindrucken. Nachdem er sich mit den anderen fünf gewählten BundesrätInnen für die nächsten vier Jahre vereidigen ließ, erklärte SVP-Parteichef Uli Maurer, Schmid sei "ein Bundesrat ohne Parlamentsfraktion".

Hinter den Kulissen wurde gestern nicht ausgeschlossen, dass der milliardenschwere Unternehmer Blocher seiner innerparteilichen Konkurrentin mit der Verlegung seines Unternehmes Ems-Chemie, des größten Steuerzahlers in Graubünden, in einen anderen Kanton drohen könnte. Sollte Widmer-Schlumpf ihre Wahl zur Bundesrätin annehmen, wären erstmals in der Geschichte der Schweiz drei der sieben RessortministerInnen des Bundesrates Frauen. Zählt man die ebenfalls gestern gewählte Bundskanzlerin Corina Casanova hinzu, die dem Bundesrat als Koordinator, aber ohne eigenes Fachressort angehört, bestünde die Regierung sogar zu 50 Prozent aus Frauen.

Ob im Falle eines Rückzugs von Widmer-Schlumpf Blocher erneut kandidiert und auch gewählt wird, galt gestern als offen. Denkbar wäre auch, dass die SVP einEn neuEn KandidatIn aufstellt. Auch Kandidaturen der CVP sind denkbar.

Den Prozeß, der zur gestrigen Nichtwahl Blochers führte, hatten die Grünen angestoßen, die als einzige im November einen offiziellen Gegenkandidaten aufgestellt hatten, um "deutlich zu machen, dass über 70 Prozent der SchweizerInnen die SVP nicht gewählt haben und einen Bundesrat Blocher ablehnen".

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