Schweizer wählen neues Parlament: Umfragen sehen Wahlsieg der SVP

Die rechtspopulistische SVP spielt eine Doppelrolle als Regierungspartei wie als Anwalt des Volkes gegen die Regierung. Sie wird vermutlich wieder siegen.

Im Wahlkampf setzte die SVP auf ausländer- und europafeindliche Propaganda. Bild: reuters

GENF taz | Die SchweizerInnen wählen am Sonntag die beiden Kammern ihres Parlaments – den 200-köpfigen Nationalrat und den Ständerat, in dem die 24 Kantone mit jeweils zwei Sitzen vertreten sind.

Sieben Parteien treten zur Wahl an. Alle Umfragen sagen voraus, dass die rechtspopulistische Schweizer Volkspartei (SVP) des milliardenschweren Zürcher Unternehmers Christoph Blocher zum dritten Mal seit 2003 stärkste Partei im Nationalrat wird. Offen scheint nur noch, ob die SVP das von ihr angepeilte Ziel erreicht, erstmals mehr als 30 Prozent der Wählerstimmen zu ergattern.

Im Ständerat, für den Blocher im Kanton Zürich antritt, wird die SVP möglicherweise ein bis zwei Sitze hinzugewinnen. Ihren Wahlkampf bestritt die SVP wie immer seit den 90er Jahren mit ausländer- und europafeindlicher, zum Teil offen rassistischer Propaganda sowie dem Schüren von Ängsten vor Arbeitsplatzverlust und sozialem Abstieg.

"Kosovaren schlitzen Schweizer auf", "Masseneinwanderung krimineller Ausländer stoppen", "Keine Bevormundung durch die EU" - mit solchen und ähnlichen Parolen auf Plakaten, in Anzeigen und TV-Spots beherrschte die SVP den Wahlkampf.

Dank großzügiger anonymer Spenden aus Wirtschaftskreisen stand der SVP für den Wahlkampf mehr Geld zur Verfügung als den sechs anderen Parteien zusammen. Zum Vergleich: Die Grünen hatten für den gesamten Wahlkampf einen Etat von nur 110.000 Franken (91.500 Euro). So viel gab die SVP pro Tag aus.

Die Finanzierung von Parteien und Wahlkämpfen ist in der Schweiz weniger geregelt und intransparenter als in anderen westlichen Demokratien. Das wird vom Europarat und von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) seit vielen Jahren kritisiert.

Doch Initiativen der Sozialdemokraten (SP) und Grünen für ein Parteienfinanzierungsgesetz hat die "bürgerliche" Mehrheit in beiden Parlamentskammern aus SVP, den wirtschaftsliberalen Freien Demokraten und der Christlichen Volkspartei (CVP) bislang verhindert.

Krisen und Skandale

Diese "bürgerliche" Mehrheit unter Führung der SVP trägt die wesentliche Verantwortung für die Skandale und schweren Krisen, die die Schweiz seit den Wahlen 2007 erschütterten.

Sie betrieb seit den 90er Jahren die Deregulierung des Banken-und Finanzsektors. Dann setzte sie in der wesentlich durch diese Deregulierung verursachten Krise ab 2008 die Rettung der Großbanken UBS und Credit Suisse mit über 100 Milliarden Franken Steuergeldern durch.

Und seitdem sabotieren diese drei Parteien wirksame Regelungen zur künftigen Verhinderung ähnlicher Krisen sowie zur Begrenzung der inzwischen längst wieder obszön hohen Gehalts-und Bonizahlungen im Finanzsektor. Zugleich waren die drei "bürgerlichen" Parteien treibende Kräfte beim Abbau des Sozialstaates und der Vermögensumverteilung. Die Schere zwischen Arm und Reich ist heute größer als je zuvor.

Doch erneut gelang es vor allem der SVP, ihre Mitverantwortung zu verschleiern. Erfolgreicher als jede andere rechtspopulistische Partei in Europa spielt die SVP unter Führung Blochers die Doppelrolle als einflussreichste Staats-und Regierungspartei und zugleich Anwalt des Volkes gegen Staat und Regierung. Sozialdemokraten und Grüne hatten dieser Doppelstrategie erneut wenig entgegenzusetzen. Den Grünen ist zudem mit den wirtschaftsliberalen "Grünen Liberalen" neue Konkurrenz am rechten Rand entstanden.

Nach dem erwarteten Sieg wird die SVP bei der Neuwahl der siebenköpfigen Regierung (Bundesrat) im Dezember höchstwahrscheinlich auch ihren zweiten Ministersitz zurückerobern. Den hatte sie vor vier Jahren durch die Abwahl Blochers verloren.

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