Schweizer „Wunderdoktor“ in Haft: „Heiler“ infiziert Menschen mit HIV

Ein Schweizer Musiklehrer hat als selbsternannter Heiler mindestens 16 Menschen mit HIV infiziert. Nun muss er ins Gefängnis. Schuldig fühlt er sich nicht.

HI-Viren unterm Elektronenmikroskop Bild: dpa

ZÜRICH/WIEN dpa | Ein 54-jähriger Musiklehrer, der sich selbst als Heiler sieht, steckt mindestens 16 Menschen mit HIV und teilweise mit dem Hepatitis-C-Virus an. Das Blut soll er jahrelang einem HIV-positiven Mann abgezapft haben, dem er eine mögliche Heilung vorgaukelte. Nun muss der Mann fast 13 Jahre in Haft. Das nicht rechtskräftige Urteil nahm der Berner am Freitag ohne jede Regung auf, streitet weiter alles ab und gibt den Opfern die Schuld.

Starke Migräneanfälle und leichte Epilepsie führten einen Schweizer Manager auf Empfehlung einer Bekannten zu dem „Wunderdoktor“. Seine Schmerzen könnten durch eine spezielle Akupunktur gelindert werden, versprach der Angeklagte. Im Wohnzimmer des „Heilers“ musste sich der Mann auf den Bauch legen und einen Stein fixieren. Danach gab es einen kurzen Stich in den Rücken und die Behandlung war beendet. Tatsächlich steckte der „Heiler“ den Manager mit dem Aids-Erreger an.

Dass die Bekannte des Managers, die diesem den „Heiler“ empfohlen hatte, bereits selbst mit HIV infiziert war, wussten beide nicht. Die Frau gab vor Gericht an, abhängig von dem Musiklehrer gewesen zu sein. Der selbsternannte Heiler sah sich zu Unrecht angeklagt und arbeitete er als Musiklehrer weiter. Wegen der schlechten Presse hätte er aber nur noch einen Schüler, klagte der 54-Jährige bei Prozessbeginn.

Seine Opfer hätten sich selbst durch ungeschützten Geschlechtsverkehr angesteckt oder Drogen gespritzt, meinte er. Das Spital, das Gericht und die Aids-Hilfe hätten die Opfer dann „aktiv auf mich gehetzt“, war sich der „Heiler“ sicher. Viele seiner Patienten seien nämlich neidisch auf sein Haus gewesen. Außerdem hätte er auf keinen Fall verseuchtes Blut abzapfen oder bei sich lagern können, da er an einer Blutphobie leide.

Der Gerichtspräsident Urs Herren sprach am Freitag von einem „skrupellosen, hinterhältigen, sinnlosen und menschenverachtenden“ Vorgehen. Opfer sagten aus, dass der Mann sie vermutlich ansteckte, um mit einer versprochenen Heilung Geld zu verdienen.

Schwer nachweisbare Infektion

Von der ersten der mindestens 16 nachgewiesenen Infizierungen 2001 bis zum Prozess war es ein langer Weg: Nach seinem Besuch bei dem „Heiler“ im Jahr 2004 fühlte sich ein „Patient“, der inzwischen an Aids erkrankt ist, schwach. Im Krankenhaus erfuhr er von seiner HIV-Infektion. Von einer Anzeige gegen den Wunderdoktor riet der leitende Oberarzt ab: Diese These könne nicht nachgewiesen werden.

Doch der Mann ließ sich nicht abhalten: „Mir war klar, dass es weitere Opfer geben wird, wenn wir nicht die Polizei einschalten.“ Erst als sich mehrere Verdachtsfälle häuften, begann die Justiz mit Ermittlungen. Das Virus aller Opfer stammte vom gleichen Stamm, wie Untersuchungen später ergaben.

In dem zwei Wochen langen Prozess galten strenge Sicherheitsvorkehrungen. Nur akkreditierte Journalisten durften in den Gerichtssaal. Zuvor mussten sich die Reporter verpflichten, keine Informationen über die Identität der Opfer zu veröffentlichen. Viele der Opfer halten ihre Erkrankung bis heute geheim. Die Folgen könne er seiner Familie nicht zumuten, sagte ein Betroffener.

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