Schwuler Schiedsrichter in Norwegen: Endlich ein Vorbild

Ein Trainer wird in einem Fußballspiel homophob beleidigt. Das nimmt der norwegische Fifa-Schiedsrichter Tom Harald Hagen zum Anlass für sein Coming-out.

Norwegischer Schiedsrichter Hagen mit ausgestrecktem Arm

Richtungsweisend: Schiedsrichter Tom Harald Hagen Foto: Digitalsport/imago

„Ich bin homosexuell.“ Diese Aussage kann in der Sportwelt tatsächlich noch immer für Aufmerksamkeit sorgen. Jedenfalls im Männerfußball. Auch in Norwegen. Diese Erfahrung macht Tom Harald Hagen gerade. Der 42-jährige Fifa-Schiedsrichter, der seit 2008 in der obersten norwegischen Fußballliga pfeift, nutzte am Montag ein Interview mit der Lokalzeitung Glamdålen für sein Coming-out. „Ich finde die Zeit ist jetzt ganz einfach reif“, erklärte er. Ganz leicht falle ihm dieser Schritt zwar nicht, „aber ich kann mir keine anderen als positive Reaktionen vorstellen“.

Eigentlicher Anlass für das fragliche Zeitungsinterview war ein Vorfall, der sich im Osloer Initility-Stadion abgespielt hatte. Dort hatte Hagen am Sonntag die Elitserien-Begegnung des Hauptstadtvereins Vålerenga gegen Kristiansund gepfiffen. In dessem Verlauf hatte sich der Kristiansund-Stürmer Flamur Kastrati, der zwischen 2011 und 2013 auch in der 2. Fußball-Bundesliga spielte, zu einer homophoben Beleidigung des Trainers der gegnerischen Mannschaft hinreißen lassen. „Halt dein Maul, du verdammte Schwuchtel“, sagte er unter anderem. Schiedsrichter Hagen hatte das im Spiel nicht mitbekommen.

Dass ihn nun ausgerechnet ein Interview über diesen Vorfall veranlasse, seine Homosexualität öffentlich zu machen, bezeichnet Hagen als „Gipfel der Ironie“. Gleichzeitig betont er: „Ich möchte diesem Thema damit auch die Brisanz nehmen.“

Als „unglaublich positiv“ bezeichnet Mina Finstad Berg, Sportkommentatorin beim TV-Sender TV2 den Schritt des Schiedsrichters. Nun habe endlich auch der Männerfußball ein konkretes Vorbild. Anders als beim Frauenfußball sei das bislang ein Mangel gewesen: „Allgemein über das Thema homosexueller Sportler kann man reden soviel man will, aber ohne Vorbilder ist es eben schwierig.“

Wichtiges Signal an die Spieler

Ähnlich sieht das Inge Alexander Gjestvang, Vorsitzender der Vereinigung für Geschlechter- und Sexualitätsvielfalt (FRI): „Für den männlichen Teil des Fußballmilieus hat man sich schon seit Jahren gewünscht, dass jemand sich zu seiner Homosexualität bekennt. Zwar haben viele Vereine betont, natürlich haben alle bei uns Platz, aber trotzdem scheint es schwer zu sein, diesen Schritt zu machen. Wenn das nun ein Schiedsrichterprofi wie Tom Harald Hagen macht, ist das wirklich positiv und sendet auch ein wichtiges Signal an die Spieler.“

Wir brauchen Beispiele, dass es im Männerfußball ganz normal ist, offen homosexuell zu sein“, meint auch Gjert Moldestad, Sprecher der norwegischen Fanvereinigung Supporterallianse und selbst schwul: „Ich gehe ja selbst schon seit einiger Zeit ganz offen damit um und es funktioniert prima. Ich habe ganz viel Unterstützung von meinen Freunden auf der Tribüne und überhaupt im Fußball bekommen. Ich hoffe auch Tom Harald macht diese Erfahrung.“

Christian Gauseth, Mittelfeldspieler beim Elitserien-Verein Mjøndalen IF sagte in einem Interview mit dem norwegischen Fernsehen NRKmit Blick auf mögliche Reaktionen: „Irgendwie ist das ja jetzt ein Test.“ Lob für Hagen gab es von Kulturminister Abid Raja bis zu Lise Klaveness, der Elitedirektorin des Fußballverbands.

Und was denkt Tom Harald Hagen über Flamur Kastrati, der ihn erst zu seinem jetzigen Schritt veranlasst hat? „Um das ganz klar zu sagen, ich bin nicht sauer auf ihn, ich verurteile ihn auch nicht. Das, was er sagte, ist ihm in der Hitze des Gefechts vermutlich nur so herausgerutscht. Das ist eben ein immer noch üblicher Slang im Fußballmilieu. Aber das müssen wir überwinden, weil es viele abhält vom Fußball.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.