Schülerproteste in Chile: Keine Annäherung

Gespräche zwischen Minister, Studenten und Schülern bringen keine Annäherung in Sachen Bildungsreform. Ein weiteres Treffen ist für kommende Woche geplant.

Proteste gegen die Bildungsreform in Valparaiso: Polizisten führen eine Studentin ab. Bild: reuters

PORTO ALEGRE taz | In Chile haben am Donnerstagnachmittag die lange erwarteten Gespräche über eine Bildungsreform begonnen. Bildungsminister Felipe Bulnes empfing eine Delegation von SchülerInnen, LehrerInnen und Studierenden. Der Minister und seine Gesprächspartner sagten nach dem Treffen, es sei "voller Spannungen" und teilweise chaotisch verlaufen - ähnlich wie die erste Begegnung mit Präsident Sebastián Piñera vor vier Wochen.

Nicht einmal ein offizielles Protokoll gab es, in der Sache blieben die Positionen unverändert. Immerhin will man sich am kommenden Mittwoch erneut treffen, um über die Forderung der Bewegung nach Kostenfreiheit zu verhandeln.

Die Gespräche sind ein Erfolg der Bildungsbewegung: Wegen eines Flugzeugabsturzes am 2. September, bei dem mehrere Prominente umkamen, waren die Kundgebungen merklich abgeflaut. Piñera spielte auf Zeit, erst letzte Woche und dann wieder vorgestern gingen erneut Hunderttausende auf die Straße.

Die Regierung verlangt, dass die SchülerInnen und StudentInnen wieder den Bildungsbetrieb ermöglichen - immer noch sind hunderte von Schulen und Hochschulinstituten im ganzen Land besetzt, die meisten seit Juni. Die Studierenden wollen jedoch ihre Proteste fortsetzen und kündigten weitere Demonstrationen für Donnerstag an. Stunden nach dem Treffen im Bildungsministerium kündigte Piñera in einer Fernsehansprache den "höchste Bildungsetat in der Geschichte Chiles" an. Er wird um 7,2 Prozent auf 11,7 Milliarden US-Dollar aufgestockt, knapp ein Fünftel des Zentraletats. Die Subventionen für arme SchülerInnen steigen um 21 Prozent und werden vom sechsten bis zum achten Schuljahr verlängert. 2010 hatte die Gesamtsteigerung noch 7,6 Prozent betragen.

Für die Hochschulen richtet die Regierung einen Fonds in Höhe von 4 Milliarden US-Dollar eingerichtet. "Eine gründliche Bildungsreform ist eine edle und wunderbare Sache", sagte Piñera, ignorierte aber die Forderungen der Bewegung nach strukturellen Veränderungen.

Auch die Polizei agierte wie eh und je: Mittags hatten in Santiago wieder knapp 100.000 junge Menschen demonstriert, und eine Stunde nach Beginn des Protestzugs kam es zu stundenlangen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und teils vermummten Demonstranten. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein und nahm diesmal 114 Protestierer fest. Gouverneurin Cecilia Pérez legte sich mit den Studentensprechern an, aber auch mit dem konservativen Bürgermeister Pablo Zalaquett.

Wieder seien die ersten Attacken von den Uniformierten ausgegangen, sagte Giorgio Jackson von der Katholischen Universität. Auch in der südlichen Provinzhauptstadt Temuco gab es Randale und Verhaftungen, abends folgte eine Razzia in einem Wohnheim von Mapuche-StudentInnen.

Die Bewegung für ein gutes und kostenloses Bildungssystem ist jetzt bereits fünf Monate alt. Mit ihren Forderungen sympathisieren 89 Prozent der ChilenInnen, der Rückhalt für Präsident Piñera lag zuletzt nur noch bei 22 Prozent.

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