Selbstbeobachtung beim Masturbieren: Wie auf psychoaktiven Substanzen

Die Ausstellung „One-self“ von Sidsel Meineche Hansen im Bremer Künstlerhaus setzt auf unwillkürlichen Kontrollverlust.

Schwarzer, kastenförmiger Rechner mit Kopfhörer oben drauf.

Eva v3.0 ist eine digital generierte und interaktiv verwendbare Pornodarstellerin: In der Ausstellung des Bremer Künstlerhauses sehen die Besucher die Welt mit ihren Augen. Foto: Sidsel Meineche Hansen

BREMEN taz | Ihr Name ist Eva. Zunächst bemerkt man sie kaum, dann schlüpft man in ihren Körper, und sie wird allgegenwärtig. Die Souveränität wird von ihrer Erscheinung untergraben, die eigene Subjektivität ist von ihrer nicht weiter klar geschieden, es findet eine seltsame Übernahme statt.

Es ist ein Gefühl, wie auf psychoaktiven Substanzen oder wie die Fahrt in einer Achterbahn. Die äußeren Einwirkungen machen sich im Inneren breit und übernehmen die Kontrolle. Wenn man nicht aufpasst, fällt man womöglich noch hin, ist man zu sensibel, muss man vielleicht kotzen. Wer ist Eva und wo befinden wir uns?

Der Ort des Geschehens ist die Galerie des Bremer Künstlerhauses. Kein wirklich gefährlicher Ort. Dort wird derzeit die Ausstellung „One-self“ der Künstlerin Sidsel Meineche Hansen gezeigt. Ein zweiter Teil läuft parallel in der Kölner Temporary Gallery. Und mit dem titelgebenden „Sich selbst“ ist das in mehrfacher Hinsicht natürlich so eine Sache.

Eva hat den Namenszusatz „v3.0“ und diese Eva v3.0 wurde als 3-D-Computermodell ursprünglich für die Pornoindustrie entwickelt. Sie ist eine digital generierte und interaktiv verwendbare Pornodarstellerin. Sidsel Meineche Hansen hat sie auf der Online-Plattform Turbosquid gekauft. Inzwischen gibt es von Hansen mehrere Arbeiten, die auf Eva basieren – neben Animationen auch eine computergesteuert ausgefräste Holzskulptur. Und zwischenzeitlich entwickelt Eva beinahe ein Eigenleben. Ihre Herkunft jedoch führt sie stets mit sich.

Um die Bild- und Tonarbeit „No right way 2 cum“ aus der Bremer Schau voll erfahren zu können, benötigt man die 3-D-Maske „Oculus Rift“. Mit dieser Maske erscheint das Bild von Eva plastisch im Raum. Sie hat ihre Beine gespreizt und masturbiert. Ist man anfänglich noch von ihr getrennt, wird man bald mit ihr identisch. In der Animation wird der eigene Kopf an die Stelle des ihren gesetzt.

Wie man den Kopf auch dreht – man bleibt in diesem seltsamen Kosmos gefangen. Blickt man an sich herunter, sieht man zwischen ihre Beine, die nun die eigenen zu sein scheinen. Schließlich wird man erneut von Evas Körper getrennt. Sie ejakuliert, alles um einen herum scheint nun nass zu sein. Aber es ist wieder nur die Manipulation der Sinne, bloß die eigene Vorstellung.

Neben die Irritation über die eigene Stellung tritt die Unsicherheit, die eine solche intime Situation an einem öffentlichen Ort mit sich bringt. Wer schaut mir zu? Kann man sehen, wohin ich blicke? Und starre ich da möglicherweise zu lange hin?

Es sind solcherlei Mechanismen mit denen industrielle Produkte die Macht über Körper und Subjektivität der Menschen ergreifen, für die Hansen sich interessiert. So hat sie in Bremen an eine der Wände die runden Embleme einiger Firmen gemalt, die an Eva beteiligt sind. Mit technoiden Mustern erinnern sie an Ecstasy-Pillen, deren Einnahme ebenfalls unwillkürlich zu Kontrollverlusten führt.

Man sieht das Logo von „Nik-Design“, den Erfindern von Eva und „Full Moon Productions“, die Hersteller von „X-Storyplayer“, dem ersten 3-D-Spiel für Erwachsene. Die 3-D-Maske Oculus Rift wurde bezeichnenderweise im März von Facebook gekauft – auch dies ein Unternehmen, das zwischenmenschliche Beziehungen im digitalen Raum organisiert.

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