Selbstjustiz in Bangladesch: Irrsinniger Teufelskreis

Demonstranten fordern die Todesstrafe für die Lynchmörder eines 13-Jährigen. Diese filmten sich bei ihrer Tat und stellten sie auf Facebook.

Demonstranten in Bangladesch

Nach Morden an drei Bloggern in diesem Jahr forderten Demonstranten die Regierung auf, Verantwortung zu übernehmen. Jetzt appellieren Protestler an die Justiz und fordern die Todesstrafe. Foto: dpa

BERLIN taz | Nach der Veröffentlichung des Videos eines Lynchmordes an einem 13-jährigen Jungen in sozialen Netzwerken geht ein Aufschrei durch Bangladesch. Am Dienstag haben Berichten zufolge erneut Tausende Menschen mit Demonstrationen gegen den Mord protestiert. Viele forderten dabei die Todesstrafe für die Täter.

Hunderte Menschen zogen durch die Hauptstadt Dhaka und riefen „Hängt sie, hängt sie!“, berichtete die Agentur AFP. Proteste gab es auch erneut in der nordostbengalischen Stadt Sylhet. Dort hatten sie am Vortag vor dem Haus der Familie des Opfers begonnen. Der Junge war in der Stadt am 8. Juli von mehreren Männern ermordet worden.

Fünf Personen, darunter vier mutmaßliche Täter, wurden laut Polizei inzwischen festgenommen. Am Dienstag wurde ein Beschuldigter, der nach Saudi-Arabien geflohen war, bengalischen Medienberichten zufolge im saudischen Dschiddah festgenommen. Arbeitsmigranten aus Bangladesch hatten ihn dort erkannt. Bei der Festnahme soll der Mann einen Fehler eingeräumt und um Verzeihung gebeten haben.

Film auf Facebook zur „Abschreckung“

Der 13-jährige Samiul Alam Rajon, dessen Namen manche Medien auch mit Rajan angeben, war in Sylhet des Diebstahls einer Rikscha beschuldigt worden. Mehrere Männer, von denen einer die Tat mit einem Handy filmte, verprügelten den jungen Gemüseverkäufer und versuchten ihn zu einem Geständnis zu zwingen.

In dem 28-minütigen Video ist zu sehen, wie der Junge darum fleht, nicht getötet zu werden und seine Mutter ruft. Einmal bettelt er um Wasser und fordert, der Polizei übergeben zu werden. Die Männer lehnen dies ab und titulieren sich selbst als Polizei.

Das Ergebnis der Autopsie hält 64 Verletzungen fest.

Ein Mann prügelt mit einer Eisenstange auf den Jungen ein. Er wird an einen Pfosten gefesselt. Die Täter sprechen davon, den Film zur Abschreckung bei Facebook zu posten.

Als der Junge später einmal losgebunden wird und noch gehen kann, fordert einer der Männer dazu auf, den Jungen weiter zu verprügeln. Seine Knochen seien ja noch nicht gebrochen. Eine Autopsie der Polizei stellte später 64 verschiedene Verletzungen fest, wobei die Kopfverletzungen letztlich tödlich waren.

Selbstjustiz in Südasien nicht ungewöhnlich

Die Eltern erklärten, ihr Sohn sein kein Dieb gewesen. Sie hatten erst von seinem Schicksal erfahren, als sie ihn bei der Polizei vermisst melden wollten.

Fälle von Selbstjustiz sind in Südasien nicht so ungewöhnlich. Besonders an diesem Fall ist jedoch, dass es sich bei dem Opfer noch um ein Kind handelt und die Täter ihren Lynchmord einschließlich des Flehens des Opfers um sein Leben gefilmt und bei Facebook gepostet haben. Dies dokumentiert den Irrsinn der Tat.

Doch ganz offenbar sehen auch viele derjenigen, die gegen den Lynchmord protestieren, die Todesstrafe für die Täter als gerecht an. Zwar ist die Befürchtung nicht unberechtigt, dass sich Täter bei der Justiz freikaufen können.

Doch letztlich dürfte wohl nur eine Justiz- und Polizeireform den Teufelskreis aus Selbstjustiz und als willkürlich empfundenen drakonischen Strafen durchbrechen.

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