Seltene Erden: Knapp, teuer und verschwendet

Seltenerdmetalle sind Bestandteil in Handys, Laptops und Windrädern. Ihre Gewinnung in Minen ist teuer. Trotzdem werden die Metalle nicht recycelt.

Mine für seltene Erden in Bayan Obo. Bild: Imago / Xinhua

Geklagt hat die deutsche Industrie schon lange, in diesem Jahr nun will sie handeln und wohl noch im Januar die "Allianz zur Rohstoffsicherheit" vorstellen. Unternehmen, die auf Metalle und Mineralien angewiesen sind, wollen die günstige und garantierte Versorgung mit Rohstoffen gemeinsam sicherstellen.

Wie genau das gehen und wer mitmachen soll, ist bislang noch unklar. Nur eine Personalie hat der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) schon verkündet: Geschäftsführer der Allianz soll Dierk Paskert werden, bislang Vorstandsmitglied des Münchner Energiekonzerns Eon.

Jahrelang war die Versorgung von Thyssen, Bosch, Siemens und Co mit Stahl, Lithium oder Kupfer eine Selbstverständlichkeit. Seit jedoch Konkurrenten vor allem in China mit ihnen wetteifern und zahlreiche Rohstoffe als Spekulationsobjekte an den Finanzmärkten großen Preisschwankungen unterliegen, ist das anders.

China als Quasimonopolist bei der Gewinnung von Seltenerdmetallen hat großen Einfluss auf die Preise dieser wichtigen Rohstoffe. Vor wenigen Tagen kündigte das chinesische Handelsministerium eine Kürzung der Exportquote an: Im ersten Halbjahr 2012 sollen 27 Prozent weniger ausgeführt werden als im Vorjahreszeitraum.

Damit will China dem jüngsten Preisrückgang begegnen. Dieser lässt sich damit erklären, dass die Nachfrage der USA und europäischer Länder wegen wirtschaftlichen Sorgen gesunken ist. Folge der jetzigen Ankündigung: Seltenerdmetalle sind im Ausland wieder wesentlich teurer geworden.

Erfolgreich lobbyierten die Unternehmen mit ihren Sorgen bei der Politik: EU-Kommission und Bundesregierung verfassten Rohstoffinitiativen. Richtig Fahrt gewann das Thema, als eine bestimmte Gruppe von Metallen ins Visier rückte: die Selterdmetalle.

Nur winzige Konzentrationen

Die leistungsstarken Dauermagneten der Windräder von Siemens zum Beispiel bestehen zu rund 30 Prozent aus den Seltenerdmetallen Neodym und Dysprosium. Ihren irreführenden Namen - weder selten noch Erde - haben sie erhalten, weil sie zum Beispiel in Mineralien vorliegen, die früher auch als Erden bezeichnet wurden. Einige von ihnen kommen insgesamt häufiger in der Erdkruste vor als Silber oder Blei, gefunden werden sie aber meist nur in winzigen Konzentrationen.

Die Lagerstätten sind über den ganzen Globus verteilt, trotzdem hat sich China heute quasi ein Monopol an der Erzeugung aufgebaut. 97 Prozent der Seltenerdmetalle stammen von dort.

Ihre Gewinnung ist schwierig: Sie können nicht einfach aus Bergwerken gebaggert werden wie Kohle. Sie treten gemeinsam mit anderen Erzen und Mineralien auf. Um Selterdmetalle zu gewinnen, werden sie hoch erhitzt und mit Salz-, Schwefelsäure oder anderen aggressiven Chemikalien dazu gebracht, sich zu separieren. Das hat Folgen für die Umwelt, die man in Bayan Obo in der Inneren Mongolei - einem autonomen Gebiet im Norden Chinas - besichtigen kann.

Größte Erzmine der Welt

In der größten Erzmine der Welt wird Eisen abgebaut und mit ihm die Seltenen Erden. Das bringt nicht nur giftige Chemikalien mit sich, die sich rundherum in den Böden, dem Grundwasser und der Luft wiederfinden. Die Gegend ist zudem radioaktiv verseucht, ist in den Mineralien doch immer auch strahlendes Thoriumdioxid oder Uranoxid enthalten.

Die extremen Umweltbelastungen erklären auch zu großen Teilen das chinesische Monopol. Noch bis vor gut zehn Jahren steuerten die USA mit ihrer kalifornischen Mine Mountain Pass einen großen Teil der Weltjahresproduktion bei. "Dann wollte die Umweltbehörde in Kalifornien nicht mehr mit zusehen, wie radioaktive Abwasser in die Wüste geleitet werden", erklärt Harald Elsner von der Deutschen Rohstoffagentur in Hannover. "Sie entzogen der Mine die Abwassergenehmigung, die Produktion musste geschlossen werden."

Ähnliches geschah mit der Seltenerdfabrik in Malaysia. Dort will der australische Rohstoffkonzern Lynas die Gewinnung von Seltenerdmetallen wieder aufnehmen. Allerdings verzögert sich der Start immer wieder, "weil sie die Probleme mit der Radioaktivität nicht in den Griff bekommen", so Elsner.

Konkurrenz zu China

Offiziell errichtet Lynas sein Werk in Malaysia, weil dort zum einen ausreichend das in großen Mengen benötigte Wasser zur Verfügung stehe und zum anderen die Nähe zu den asiatischen Märkten gegeben sei. Allerdings munkelt man in der Branche, auch die in Australien starke Partei der Grünen sei ein Auslöser gewesen. In Staaten mit einer aktiven Umweltbewegung haben es Produzenten Seltener Erden schwer.

Siemens plant ein Joint Venture mit Lynas. "Diese Partnerschaft wird eine nachhaltige Lieferkette von der Mine bis zu der Endanwendung des Magneten ermöglichen", teilt der Konzern mit. Wirklich nachhaltig, sind sich Umweltexperten einig, wäre allerdings eine andere Rohstoffquelle: das Recycling von Geräten, vor allem Elektrogeräten.

Denn Seltene Erden sind nicht nur in Windrädern enthalten. Auch in Flachbildfernsehern, Computern und Handys stecken die begehrten Metalle. Yttrium zum Beispiel sorgt zusammen mit Europium dafür, dass Bildschirme rot leuchten können. Dank Terbium gibt es dort die Farbe grün. Bislang lassen sich Seltene Erden in den Geräten nicht ersetzen, in all den Strategiepapieren von Politik und Wirtschaft zur sicheren Versorgung mit Rohstoffen tauchen die Seltenen Erden auf, neben anderen Exoten wie Indium oder Lithium.

Umso erstaunlicher: "Das Thema seltene Rohstoffe ist beim Recycling bislang vernachlässigt worden", sagt Ullrich Didszun, Vizepräsident für den Bereich Elektronikschrott des Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse). Didszun ist Geschäftsführer des mittelständischen Recyclingunternehmens RDE und auf Elektroschrott spezialisiert.

Recyclingfähigkeit mitdenken

Metalle wie Kupfer, Gold oder Palladium, das in den Geräten in relativ großen Mengen vorkomme, könne man fast zu 100 Prozent recyceln, sagt Didszun. Doch die paar Gramm Seltenerdmetalle, die etwa in einem Flachbildschirm enthalten seien, gingen verloren. Für ein Recyclingunternehmen sei es schlicht zu teuer, die seltenen Materialien zurückzugewinnen. "Mich hat auch noch kein Unternehmen nach Recycling-Indium oder -Lithium gefragt", sagt der Unternehmer.

Um die Metalle in einen Kreislauf zu überführen, müsse man ganz vorne bei der Produktion ansetzen: "Hersteller und Recyclingunternehmen müssen sich zusammensetzen und gemeinsam schon beim Design die spätere Recyclingfähigkeit mitdenken", fordert er. Der Trend sei gegenwärtig aber ein anderer. Immer mehr Metalle werden in winzigen Mengen zusammen verbaut. Die bekomme man kaum mehr auseinander, kritisiert Didszun.

In einer Studie für die Fraktion der Grünen im Europa-Parlament bemängeln die Umweltwissenschaftler des Freiburger Öko-Instituts, dass in Europa kaum Wissen und Technologie verfügbar seien, um Seltene Erden zu recyceln. Notwendig sei deshalb, ein europäisches Expertennetzwerk einzurichten, um erst einmal die notwendigen Kompetenzen aufzubauen. Diese Sicht mag Didszun nicht teilen. Er hat neben der fehlenden Wirtschaftlichkeit ein weiteres Problem ausgemacht: Viele Elektrogeräte erreichen nämlich nie ein Recyclingunternehmen.

Elektroabfall verschwindet

Zwar gebe es keine genauen Zahlen darüber, wie viele alte Geräte ordnungsgemäß in den Wertstoffhöfen der Kommunen oder im Handel landeten, sagt Maria Elander von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Weil es den Händlern nicht gesetzlich vorgeschrieben sei, alte Fernseher oder Computer zurückzunehmen, offenbare sich ein Graubereich. "Hier ist mehr Transparenz nötig", sagt Elander, "wir müssen wissen, wohin der Elektroabfall geht und was mit ihm passiert".

Nach einer Studie des Umweltbundesamtes werden jährlich etwa 155.000 Tonnen Elektroschrott illegal exportiert. Auf Müllkippen in afrikanischen oder asiatischen Ländern werden die teils giftigen Inhaltsstoffe der Geräte ausgeschlachtet. An ein Recycling von Seltenen Erden, Indium oder Lithium ist dabei nicht zu denken. Landen die Geräte nicht auf einem illegalen Frachttransport, so ist die Gefahr groß, dass sie in einer Müllverbrennungsanlage enden.

Kupfer und Gold werden aus der Schlacke, die aus dem Ofen kommt, vielleicht noch herausgeholt. Doch auch hier gehen die kleinen Mengen seltener Metalle, die unter so hohen ökologischen und ökonomischen Kosten gewonnen werden, unwiderbringlich verloren.

Die Abfallexpertin der Deutschen Umwelthilfe hält es daher für sinnvoll, die Entsorgung von Elektrogeräten neu zu organisieren. So sollten die Händler verpflichtet werden, alte Geräte von den Verbrauchern entgegenzunehmen. Zudem brauche es neue Vorgaben für das Recycling. "Bislang gibt der Gesetzgeber Quoten vor, die sich an Mengen orientieren", sagt Elander. Notwendig seien aber auch Qualitätskriterien für das Recycling sowie ein Anreiz, auch geringe Mengen verschiedener Materialien aus dem Abfall herauszuholen.

So wird im neuen Jahr weniger die Industrie-Allianz von Bedeutung werden, sondern eher die Novellierung des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes. Das regelt auch den Umgang mit Elektroabfällen - der ökologisch, sozial und damit langfristig auch ökonomisch sinnvollsten Rohstoffquelle.

Der Text beruht auf dem kürzlich erschienenen Buch von Armin Reller und Heike Holdinghausen: "Wir konsumieren uns zu Tode. Warum wir unseren Lebensstil ändern müssen, wenn wir überleben wollen", Westend Verlag, 192 Seiten, 12,99 Euro.

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