Senatsprojekt zur Kinderbetreuung: Frau Scheeres schickt ihre Nannys

Die Bildungssenatorin will die Betreuung vor und nach den regulären Kita-Öffnungszeiten ausweiten. Das Modellprojekt soll Alleinerziehenden helfen.

Und wer passt auf, wenn die Kita zu hat? Foto: dpa

Zwischen sechs und sieben Uhr morgens öffnen in Berlin für gewöhnlich die Kitas. Zwischen 16 und 18 Uhr am Nachmittag ist Abholzeit. Viel Zeit – und doch nicht genug, wenn etwa beide Partner im Schichtdienst arbeiten. Oder wenn einer von beiden alleinerziehend ist, die Arbeitszeiten sich nicht an den üblichen Nine-to-five-Bürojob halten – und auch die Großeltern nicht ohne weiteres greifbar sind.

Nun will ein Modellprojekt der Senatsbildungsverwaltung das Problem Randzeitenbetreuung angehen. Die Idee, die Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Mittwoch vorstellte: Eine zentrale Koordinierungsstelle, der Mobile Kinderbetreuungsservice (Mokis), baut einen Pool von BetreuerInnen auf und vermittelt bedürftigen Eltern das passende Personal – das dann, anders als bisher die Tagesmütter und -väter, die nur in ihren eigenen Räumen betreuen durften, zu den Kindern nach Hause kommt.

Eltern, sagt Senatorin Scheeres, wollten ihre Kinder „nicht um vier Uhr morgens aus dem Bett reißen“, um dann pünktlich bei einer der wenigen Tagesmütter zu sein, die jetzt schon Betreuung zu familienunfreundlichen Zeiten anbieten. An dem Modell einer 24-Stunden-Kita, das die CDU im vergangenen Jahr erfolglos voranzutreiben versuchte, mochte die Senatorin denn auch nichts finden: „Familiennahe Betreuung“ sei das Schlagwort, sagte Scheeres.

Anders als ein herkömmlicher Babysitterservice ist Mokis kostenfrei für die Eltern – die Nannys bezahlt das Land. „Das läuft im Rahmen des Kitagutscheinsystems“, sagte Scheeres. Will heißen: Man meldet beim zuständigen Jugendamt einen ergänzenden Betreuungsbedarf an, der mindestens eine Stunde über den regulären Öffnungszeiten der jeweiligen Kita liegen muss. Das Jugendamt kann die Mokis-BetreuerInnen dann über die reguläre Kostenbeteiligung der Elternbeiträge abrechnen.

Was auch heißt: Da die Kita in Berlin schrittweise gebührenfrei wird, fallen auch für Mokis spätestens ab 2018 die nach Einkommen gestaffelten Elternbeiträge weg. Derzeit ist die Kita ab dem zweiten Lebensjahr kostenlos.

Studierende, SeniorInnen, Arbeitnehmer auf der Suche nach einem Zuverdienst hoffe man für den BetreuerInnenpool zu akquirieren, sagt Nicole Bittner vom gemeinnützigen Träger proFam. Wer nicht vorbestraft ist, ein Gesundheitsattest vorlegen kann und 24 Unterrichtseinheiten „Kinderpflege Basic“ absolviert, kann sich bereits für den Pool bewerben. „Wir wollen Leute, die menscheln – es geht hier nicht um einen Bildungsauftrag“, betonte Scheeres, „sondern ums Kuscheln und fürs Bett fertig machen.“

Marianne Burkert-Eulitz, familien- und jugendpolitische Sprecherin der Grünen, bezweifelt indes, dass sich für 8,50 Euro Stundenlohn, die den Mokis-BetreuerInnen gezahlt werden sollen, besonders viele Interessenten finden werden. „Da finde ich selbst als Studentin besser bezahlte Nebenjobs – auch als Babysitterin.“

Wie groß der Bedarf an Kinderbetreuung in den frühen Morgenstunden oder am späten Abend tatsächlich ist, weiß niemand so genau. Die Senatsbildungsverwaltung verweist auf 500 Tagesmütter und -väter, die derzeit Betreuung in den Randzeiten anbieten, 265 Schulkinder und 224 Kitakinder nehmen die ergänzende Betreuung in Anspruch.

600.000 Euro sind im laufenden Doppelhaushalt für Mokis eingestellt. Ab Januar 2017 wird der senatseigene Nannydienst starten. Eine Gesetzesänderung, die jetzt unmittelbar vor der Wahl nicht mehr durchsetzbar wäre, ist dafür nicht notwendig.

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