Serie „Washington Black“ auf Disney+: Sklaverei anders erzählt
Esi Edugyans Erfolgsroman „Washington Black“ gibt es jetzt als achtteilige Miniserie auf Disney+. Das Ergebnis ist enttäuschend und holprig.

Seit gut zehn Jahren widmet sich Hollywood verstärkt dem Thema Sklaverei und produziert hochkarätige Filme und Serien. Der oscarprämierte Film „12 Years a Slave“ (2013) erzählt die Geschichte eines freien Mannes, der in die Sklaverei verkauft wird, während Cynthia Erivo im Biopic „Harriet“ (2019) die Fluchthelferin Harriet Tubman mimt. 2021 wurde Colson Whiteheads Roman „Underground Railroad“ als Miniserie verfilmt, im Jahr darauf spielte Will Smith in „Emancipation“ einen versklavten Mann, dem es gelingt zu fliehen.
Wenig überraschend handelt es sich dabei oft um brutale Darstellungen. Die Disney+-Miniserie „Washington Black“, die auf dem Roman der kanadischen Autorin Esi Edugyan beruht, versucht sich an einem anderen Narrativ.
Protagonist der Serie ist „Wash“, oder George Washington Black (großartig gespielt von Eddie Karanja), der um das Jahr 1830 auf einer Plantage in Barbados aufwächst. Als Christopher Wilde, genannt Titch (Tom Ellis), der Bruder des Sklavenhalters, auf die Insel kommt, ändert sich Washs Leben. Titch ist Abolitionist, und er erkennt die wissenschaftliche Begabung in dem kleinen Jungen, der nicht nur ein gutes Auge hat, sondern auch naturgetreue Illustrationen anfertigen kann.
Gemeinsam erfüllen sie Titchs Traum, eine Flugmaschine zu bauen – als Wash des Mordes verdächtigt wird, fliehen sie mit selbiger von der Insel. Parallel dazu erleben wir Wash als jungen Mann (Ernest Kingsley Junior), der, immer noch von Sklavenjägern gesucht, sich in Tanna (Iola Evans) verliebt, eine mixed-race, aber als weiß durchgehende Engländerin, deren Vater sie mit einem Aristokraten verheiraten will.
Mehr Jules Vernes als „Underground Railroad“
Während auch „Washington Black“ einen düsteren Stoff verhandelt, hat der Erzählstil dank der eingestreuten Fantasyelemente und der Abenteuergeschichte einen märchenhaften Anklang, ist mehr Jules Vernes als „Underground Railroad“. Im Roman funktioniert diese Mischung sehr gut; der Serie gelingt es selten, diesen Ton zu übertragen.
Einerseits frustrieren die Dialoge, die oft überfrachtet, hölzern und unrealistisch sind: Selbst die überzeugtesten Abolitionisten werden nicht wie Titch auf die Frage „Is this boy your slave?“ mit „He’s my friend“ geantwortet haben. Die romantischen Szenen zwischen Wash und Tanna klingen noch abgedroschener.
Dann hilft es auch nicht, dass neben einigen beeindruckenden Naturaufnahmen aus Halifax oder Virginia mit schlechtem CGI und Greenscreen sowie unecht wirkenden Kostümen gearbeitet wurde. In Kombination mit der seichten wie aufdringlichen Musik, die quasi jeder Szene unterlegt ist, wähnt man sich teilweise in einem kitschigen ZDF-Vorabendfilm.
Dazu passen auch die angerissenen, später aber fallengelassen Stränge und Plot Holes. Woher etwa hat Wash gegen Ende das Geld, seine eigene Flugmaschine zu bauen? Das bedeutet nicht, dass die Serie auf allen Ebenen versagt. In der Mitte gibt es zwei recht starke Folgen, die nicht überhastet Handlung an Handlung reihen, sondern sich Zeit für die Entwicklung der Charaktere und ihre Beziehungen lassen. Trotzdem wird die interessanteste moralische Frage ein paar Mal nur angedeutet, aber nicht wirklich verhandelt – das Verhältnis von Titch und Wash. Schade, dass dieser Komplex so unterbeleuchtet bleibt.
Künstliche Kulissen, gestelzte Dialogen
Es ist eine interessante Abwechslung, eine Serie zu schauen, die das Thema Sklaverei auf eine Weise erzählt, die nicht von immerwährendem Trauma und Schmerz geprägt ist. „Washington Black“ funktioniert als Roman allerdings bedeutend besser als in dieser melodramatischen, holprigen Verfilmung. Gewiss, die Aussage „Das Buch ist besser als der Film“ tätigt man leicht. Getreue Verfilmung sind zumeist gar nicht möglich, und auch diese Serie nimmt sich Freiheiten.
Leider wird sie genau in den Momenten, in denen sie von der Vorlage abweicht, schwach. Wer sich von künstlichen Kulissen, gestelzten Dialogen und Logikfehlern nicht abschrecken lässt, wird einige starke Szenen in „Washington Black“ finden. Allen anderen sei der Griff zum Buch geraten.
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