Sexistisches Marketing: „Rote Tussis“ für den Kiez

Überlebensgroße rote Frauensilhouetten könnten das Markenzeichen der Reeperbahn werden – geht es nach einer Initiative von Gewerbetreibenden.

Rote Riesinnen: Entwurf für die Reeperbahn aus dem Antrag für die Einrichtung des BID. Bild: Elbgraphen GmbH

Eine rote Riesin mit lockigem Haar steht breitbeinig in High Heels auf dem Spielbudenplatz. Ihre Arme sind zur Seite gestreckt und nach unten abgewinkelt. Sie steht da wie eine nackte Kämpferin. An ihren Händen hängen zwei große Tafeln mit Straßenkarten und auf dem Kopf trägt sie ein großes „i“ – für Infopoint. Wenn es nach der Initiative Gewerbetreibender für einen Business Improvement District (BID) geht, könnten diese roten Frauensilhouetten künftig zum Markenzeichen für die Reeperbahn werden.

„Diese Figuren sind absolut unzweideutig“, sagt die Journalistin Theresa Jakob, die sich seit 25 Jahren gegen Sexismus und sexistische Werbung engagiert. „Die Farbe, die breitbeinige Pose, die Figur der Frauen rufen eindeutig Assoziationen mit Laufhäusern und Prostitution hervor“, kritisiert sie.

„Das ist doch nur der Entwurf“, sagt Andreas Pfadt, Projektleiter des BID Reeperbahn. Die Interessengemeinschaft St. Pauli möchte die Reeperbahn und einen Teil ihrer Nebenstraßen, wie die Große Freiheit, den Hamburger Berg oder die Talstraße, zum BID machen, für Touristen attraktiver gestalten und so für mehr Einnahmen sorgen. Das Problem sei laut Pfadt vor allem, dass Besucher zwar über die Reeperbahn bummelten, aber kein Geld daließen. Und die roten Frauen könnten die Werbeträgerinnen für eine entschmuddelte Reeperbahn werden, so die Idee.

"Business Improvement Districts" (BID) sollen Straßenabschnitte attraktiver gestalten. Das können bauliche Veränderungen wie neuer Asphalt oder Bäume sein, aber auch Reinigungsmaßnahmen oder wie bei der Reeperbahn Werbekampagnen.

Finanziert wird ein BID von den Grundeigentümern im betroffenen Bezirk. Nachdem ein Konzept entworfen wurde, wird die benötigte Summe geschätzt und ein Antrag an die Stadt gestellt. Die kann dann das vereinbarte Geld als Sondersteuer von den Grundeigentümern verlangen. Ist das Geld gezahlt, gibt die Stadt es an die Projektleitung weiter.

Um ein BID zu verwirklichen, müssen mindestens zwei Drittel derjenigen zustimmen, die später für die Umsetzung zahlen. Das sind auf der Reeperbahn die Eigentümer der Grundstücke.

Deutschlands erster BID überhaupt wurde mit der Fußgängerzone in Hamburg-Bergedorf gegründet. Der Neue Wall wurde als BID erneuert.

Es hätten sich allerdings schon viele „aufgebrachte Anrufer“ bei ihm gemeldet, sagt Pfadt. Aber die sollten die Werbung mit den Frauen einfach „nicht so ernst nehmen“. Die Reeperbahn werde sich doch ohnehin die nächsten 100 Jahre nicht vom Image als Rotlichtbezirk entfernen können.

„Die Banalität des alltäglichen Sexismus sorgt dafür, dass sexistische Werbung oft gar nicht als solche erkannt wird“, sagt Jakob. Zu häufig werde man mit erniedrigenden Plakaten und Werbespots konfrontiert. Für die „Herren in der Marketing-Abteilung und die Planer des BID existiert das Problem aber gar nicht“, so Jakob.

Pfadt glaubt nicht, dass die „roten Tussis“, wie er sie nennt, dem Konzept widersprechen, die Reeperbahn wieder zu einer Vergnügungsmeile zu machen, auf der es nicht nur um Sex und Erotik gehe. Ob sich Besucher, die auf der Reeperbahn nur ins Theater gehen wollen, von den roten Frauen gestört fühlen könnten, kann er nicht sagen.

Noch steht nicht fest, ob die Reeperbahn wirklich ein Business Improvement District wird. Bisher steht nur das Konzept und aus dem geht hervor, dass alle Grundeigentümer insgesamt 1,9 Millionen Euro für die Pläne aufbringen müsste. Ab kommenden Montag liegt besagtes Konzept dann genau einen Monat im Bezirksamt-Mitte aus und kann von Interessenten vormittags oder nach Terminabsprache eingesehen werden.

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