Sexstreik in der Ukraine: Bei Zeus, warum nie Männer?

Weil sie die Krim nicht an Russland abtreten wollen, rufen ukrainische Frauen zum Sexstreik auf. Die Protestform beruht auf alten Rollen und Klischees.

Bloß nicht mit den Russen: Dafür gibt's auch schon T-Shirts. Tabelle: Facebook/„Не дай русскому“

„Kein Sex mit Nazis“ – alter Spruch. In der Ukraine gibt es davon jetzt eine neue Version: Kein Sex mit Russen. Weil sie die Krim nicht an Russland abtreten wollen, haben ukrainische Frauen zum Sexstreik aufgerufen. Vor ein paar Tagen wurde eine Facebook-Seite gestartet: „Lass keinen Russen an dich ran“ steht auf dem Plakat, zwei Hände formen darauf eine Vulva. Die Initiative ist dazu gedacht, „den Feind mit allen Mitteln zu bekämpfen“. Über 2.400 Menschen gefällt das.

Es ist nicht das erste Mal, dass Frauen per Sexboykott politische Ziele verfolgen. In Japan drohten Frauen im Februar auf diese Art den Unterstützern eines Wahlkandidaten, der fand, Frauen seien wegen ihrer Periode zu blöd für Politik. Vorletzten Sommer traten Frauen in Togo in einen Sexstreik aus Protest gegen den Präsidenten. In Neapel sexstreikten Frauen schon gegen Feuerwerke, in Kolumbien gegen einen Straßenbau und gegen Gewalt, in Liberia gegen den Bürgerkrieg, auf den Philippinen gegen den Kampf zweier Dörfer. Und die ukrainischen Femen forderten zum Sexstreik auf, um Frauenausbeutung anzuprangern.

Die Tradition des Sexstreiks reicht aber noch ein ganzes Stück weiter zurück. Den vermutlich ältesten Fall schildert „Lysistrata“, eine Komödie des griechischen Dichters Aristophanes, von 411 v. Chr.: Lysistrata fordert andere Frauen auf, mit ihr in einen Sexstreik zu treten, um den Krieg zu beenden. Frauen aus Athen und Sparta geloben, sich Männern zu verweigern, bis endlich Frieden sei: „Bei Zeus, wir schwören!“

Die „Waffen einer Frau“?

Was auffällt: Immer sind es Frauen, die in Sexstreik treten. Bei Zeus, warum nie Männer? Was für eine Form von Macht ist das, die Frauen da anwenden? Sind das die „Waffen einer Frau“? Ist das der „Geschlechterkampf“?

Streiks gibt es in vielen Varianten, meistens in Form der Niederlegung von Arbeit oder als Hungerstreik. Im einen Fall verweigert man Leistungen, die andere nicht erbringen können und ohne die irgendetwas nicht weitergeht. Im anderen Fall verzichtet man auf etwas, ohne das man auf Dauer stirbt. Ein Sexstreik scheint eher zur ersten Sorte zu gehören. Frauen entziehen Männern Sex, bis diese, wie in „Lysistrata“, aufgeben, weil sie unerträglich harte Ständer kriegen: „Pflöcke, o Graus, als wollten sie Schweine dran binden!“

Nun gehört zu einem solchen Streik – ob in einer Komödie oder in der Realität – ein ganzes Arsenal von Rollen, Klischees und Mythen. Die Rollen müssen, damit ein Sexstreik von Frauen Sinn ergibt, einigermaßen klar verteilt sein. Es müssen Männer sein, die rausgehen und Politik machen, die Krieg führen und damit von allein gar nicht mehr aufhören können. Und Frauen, die sich darüber ärgern und lieber Harmonie wollen.

Abgesehen davon, dass ein Sexstreik von Frauen nur wirkt, wenn man davon ausgeht, dass Männer nur durch Frauen angemessen sexuell befriedigt werden können: Warum ist Befriedigung für Männer anscheinend wichtiger als für Frauen? Warum können Frauen verzichten, Männer nicht?

Die Natur, der Samenstau!

Die Antwort liefert die alte, hässliche These von der ungebändigten männlichen Sexualität. Wenn Frauen begehren, so der Mythos, dann hält sich das in Grenzen. Sexualität findet bei ihnen im Kopf statt. Wenn sie nicht wollen, wollen sie nicht. Bei Männern: hui, zack, krass, kannste nicht bremsen, die Natur! Samenstau! Wenn Männer wollen, dann müssen sie.

Dieses Klischee der Schwanzsteuerung ist gefährlich. Im Zweifel lässt sich damit viel mehr begründen, als einem lieb sein kann. Zu Vergewaltigung im Krieg wird Lysistrata gefragt: „Und wenn sie uns zur Kammer ziehn mit Gewalt?“, sie antwortet: „Dann hältst du dich am Pfosten!“ – „Und wenn er schlägt?“ – „Dann mach’s ihm, aber schlecht! Wo man Gewalt braucht, ist die Lust nicht groß!“ Was für Aussichten.

Die Sache wird nicht besser dadurch, dass ein Sexstreik suggeriert, dass die Frauen nach dem Streik grundsätzlich wieder verfügbar sein werden. Kurz war die Ware weg – schwupp, wieder da. Kein schönes Bild. Es kämpft sich am Ende vielleicht gar nicht so gut als Sexobjekt.

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Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff

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