Sexuelle Gewalt im britischen Fußball: Chelsea gerät in den Fokus

Hunderte weitere Menschen erklären, in ihrer Jugend sexuelle Gewalt in Fußballvereinen erfahren haben. Am Freitag geriet Chelsea London massiv unter Druck.

Ein Gebäue, an dem „Sports Academy“ steht

In der „Crewe Alexandra“-Sportschule sollen sich einige der Übergriffe ereignet haben Foto: reuters

LONDON afp/dpa | Mindestens 350 Menschen sind nach Polizeiangaben als Kinder oder Jugendliche in britischen Fußballvereinen sexuell missbraucht worden. Diese Zahl ergibt sich aus Meldungen bei der Polizei und einer speziell zu diesem Zweck eingerichteten Hotline einer Kinderschutzorganisation, wie britische Medien am Donnerstag berichteten. Mehrere ehemalige Fußball-Profis hatten sich in den vergangenen Wochen getraut, öffentlich über ihr Leid zu berichten. Dazu zählt auch der frühere Profi Andy Woodward, der der Presse vom jahrelangen Missbrauch durch einen Jugendtrainer erzählte.

Insgesamt hatten bei der Hotline binnen einer Woche 860 Menschen angerufen. Dabei handelte es sich meist um Hinweise auf Missbrauch in früheren Jahren, wie ein Pressesprecher der Kinderschutzorganisation NSPCC (National Society for the Prevention of Cruelty to Children) sagte. „Aber es gibt auch einige aktuelle Fälle darunter.“ Details wollte der Sprecher nicht nennen.

Der Chef der Organisation, Peter Wanless, sprach von einem „erschütternden Anstieg“. Der Ansturm auf die Hotline zeige das „besorgniserregende Ausmaß von Missbrauch“ im Sport.

Die Polizei ermittelt in mehreren Fällen, der englische Fußballverband FA kündigte eine interne Untersuchung an. Die FA unterstützt auch die neue Hotline der Kinderschutzorganisation. Mehrere Fußballclubs betreiben eigene Nachforschungen, darunter auch der FC Chelsea mit Blick auf möglichen Missbrauch in den 70er Jahren.

Die britische Generalstaatsanwaltschaft hatte erst am vergangenen Dienstag mitgeteilt, dass ein früherer Jugendtrainer wegen Übergriffen auf ein Kind angeklagt wird. Der 62-Jährige galt in den 80er und 90er Jahren als erfolgreicher und gut vernetzter Talentscout und arbeitete unter anderem für den englischen Viertligisten Crewe Alexandra. In diese Zeit sollen die Vergehen fallen, die die jetzige Anklage betreffen. Er saß bereits früher mehrfach wegen sexueller Übergriffe auf Minderjährige im Gefängnis. Medienberichten zufolge bezeichnete sich der Mann vor Gericht selbst einmal als „Monster“.

59.000 Euro Schweigegeld

Am Freitag geriet der FC Chelsea weiter unter Druck: Der ehemalige Fußballprofi Gary Johnson sagte dem Daily Mirror, er sei als Jugendlicher vom damaligen Talentscout des Vereins, Eddie Heath, missbraucht worden. Der FC Chelsea habe ihn jedoch mit einer Zahlung 50.000 Pfund (rund 59.000 Euro) zum Schweigen bringen wollen.

Britische Medien hatten bereits vor einigen Tagen über ein Schweigegeld des FC Chelsea wegen Missbrauchsvorwürfen gegen den inzwischen verstorbenen Chefscout berichtet. Es war zunächst aber nicht klar, an wen das Geld gezahlt wurde. Laut dem Daily Mirror hat der Premier-League-Club inzwischen auf eine Vertraulichkeitsklausel in der Vereinbarung mit Johnson verzichtet. Der FC Chelsea wollte sich zunächst nicht zu den Vorwürfen äußern.

Johnson war 1970 als Elfjähriger zu Chelsea gekommen und wurde nach eigenen Abgaben ab einem Alter von 13 Jahren von Heath missbraucht. Von 1978 bis 1981 spielte Johnson für die erste Mannschaft des Clubs. Inzwischen verdient er sein Geld als Taxifahrer in London.

Johnson sagte in dem Zeitungsinterview, Heath habe ihm gesagt, dass er in ihn verliebt und „süchtig“ nach ihm sei. Er selbst habe sich für den Missbrauch „geschämt“. „Ich fühlte mich meiner Kindheit beraubt“, sagte der 57-Jährige. Seinen Angaben zufolge hat Heath noch mindestens drei weitere Jungen missbraucht.

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