Shitstorm um ukrainische ESC-Kandidatin: Alina Pash wirft hin

Sie hatte sich für den Eurovision Contest qualifiziert. Doch dass sie auf die Krim reiste, kam im Heimatland Ukraine gar nicht gut an.

Eine Frau mit schickem, weißem Hut und einem weißen Gewand geht über einen asphalitierten Platz, lächelnd

Wollte mit Politik gar nichts zu tun haben: Sängerin Alina Pash Foto: Danil Shamik/imago

Noch am Abend des 12. Februar muss sie sehr zufrieden gewesen sein: Soeben hatte Alina Pash die ukrainische Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest 2022 gewonnen. Ihr Lied „Tini sabutych predkiw“ hatte am Ende die meiste Zustimmung der Jury wie auch des wählenden Fernsehpublikums. „Schatten der vergessenen Vorfahren“, wie der Song auf Deutsch übersetzt wird, ist eine extraspitze Ethnokomposition, die textlich alle möglichen europäischen Geister aufruft, Dante Alighieri, Shakespeare, die Brüder Grimm und auch Picasso, dessen gemalte Taube das europäische Friedenssymbol darstellt. Gekleidet sind ihre Verse in dem für sie typischen Ethno-HipHop-Oberton-Elektro-Style: Für den ESC am 14. Mai in Turin war sie für einen Top 10 hochgewettet.

Doch daraus wird jetzt nichts: Alina Pasha erklärte nun via Instagram, dass sie auf die Fahrkarte zur Europameisterschaft des Pop verzichtet – weil sie in den sozialen Medien krass gedisst wurde. Vorgeworfen wird ihr, über ihre künstlerischen Reisen nicht korrekt Rechenschaft abgelegt zu haben. Konkret: dass eine ihrer Reisen, von Moskau aus kommend, auf die von Russland annektierte Krim führte. Und das ist nach den geltenden Gesetzen der Ukraine verboten – die Halbinsel im Schwarzen Meer zählt in Kiew nach wie vor als ukrainisch und also aktuell als von Russland (militärisch) geraubt.

Alina Lasha hatte das nach den ersten Stürmchen in den sozialen Medien auch eingeräumt, aber am Ende war ihr die toxische Anwürfigkeit dort gegen sie zu viel, sie zog sich zurück: „Ich bin Künstlerin, kein Politiker. Ich habe keine Armee von PR-Leuten, Managern, Anwälten, um all diesen Angriffen, Bedrohungen und Druck sowie dem Einbruch in meine sozialen Netzwerke etwas entgegenhalten zu können. Und auch absolut inakzeptable Formulierungen, die sich die Menschen erlauben, ohne die Situation zu verstehen und die Würde jedes Bürgers der Ukraine zu vergessen. Ich will diesen virtuellen Krieg und Hass nicht“, schrieb sie über den Shitstorm. „Der Hauptkrieg ist jetzt ein externer, der 2014 in mein Land kam“, so verwies sie auf die Eroberung der Krim durch das Regime Wladimir Putins.

Die Künstlerin, geboren 1993 in Buschtyno, dem transkarpatischen Westen der Ukraine, ist schon einige Jahre europäisch bestens vernetzt, auch ohne eurovisionären Bonus. Sie trat in der Berliner Kulturbrauerei auf, arbeitet mit französischen und deutschen Kol­le­g*in­nen zusammen, ist auch schon vom Kultursender Arte wahrgenommen worden – ein Ritter*innenschlag, um in ihrem ästhetischen Feld ernst genommen zu werden. Am Ende ihrer Rückzugserklärung bedankt sie sich bei allen, „die mein Lied und meine wichtige Botschaft hören und nicht über mich lästern“.

Ob das ukrainische Fernsehen einen anderen Act zum ESC delegiert, ist offen. 2016 gewann für dieses Land die Sängerin Jamala mit dem Lied „1944“ den ESC – sehr zum Missfallen Russlands, das in dem Lied zu Recht eine Kritik an Stalinischen Deportationen von Krim-Tartaren erkannte.

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