Sichere Verhütung für Frauen: Eine Frage des Einkommens

Ein vom Familienministerium gefördertes Modellprojekt in sieben Städten zeigt: Frauen mit wenig Geld können sich Pille und Spirale kaum leisten.

Anti-Baby-Pillen

Was kaufen mit dem bisschen Geld: einen Schulranzen fürs Kind oder die Pille? Foto: dpa

BERLIN taz | Frauen mit wenig Geld haben einen hohen Bedarf an kostenlosen Verhütungsmitteln. Das ist das Ergebnis eines Modellprojekts der Deutschen Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung Pro Familia.

Drei Jahre wurde in Beratungsstellen in sieben deutschen Städten erprobt, ob Geringverdienerinnen oder Bezieherinnen von Hartz IV verschreibungspflichtige Verhütungsmittel in Anspruch nehmen. Das Bundesfamilienministerium förderte das Projekt. Ein Großteil der Frauen, die zu den Beratungen kamen, nahm das Angebot nicht nur an – sondern gab zudem an, ohne Kostenübernahme weniger sicher oder gar nicht zu verhüten.

„Der Zugang zu sicheren Verhütungsmethoden ist in Deutschland nicht gewährleistet“, sagte die Vorsitzende von Pro Familia, Dörte Frank-Bögner, bei der Vorstellung der Projektergebnisse in Berlin. „Das birgt erhebliche gesundheitliche Risiken und das Risiko einer ungewollten Schwangerschaft. Und es bedeutet, dass Frauen hierzulande diskriminiert werden.“

Pro Familia

„Zugang zu sicheren Verhütungsmitteln ist nicht gewährleistet“

Am Projekt „biko – Beratung, Information und Kostenübernahme bei Verhütung“ nahmen Frauen jeder Altersgruppe teil, Standorte waren unter anderem Recklinghausen, ­Lübeck und Saarbrücken. Mehr als 4.700 Frauen – Studierende, Arbeitssuchende, Hausfrauen oder Frauen in Elternzeit – kamen zu den Beratungen. Für knapp 4.500 von ihnen wurden Verhütungsmittel bezahlt.

Wegen der großen Nachfrage wurde das Budget des Projekts für Verhütungsmittel mehrfach aufgestockt. Deutlich mehr als die Hälfte der Frauen entschied sich für eine Langzeitmethode wie Pille oder Spirale, mehr als drei Viertel hatten bereits ein oder mehrere Kinder.

Selbst Geld für Verhütungsmittel auszugeben, war für viele Frauen nicht möglich. 16,11 Euro stehen etwa einer Frau, die Hartz IV bezieht, monatlich für den Bereich Gesundheitspflege zu – also zum Beispiel für Tampons, Pflaster, Kopfschmerztabletten und Verhütungsmittel.

Wenn auf alles andere verzichtet wird, reicht das gerade „für eine Packung Kondome“, sagte die parlamentarische Staatssekretärin und Abgeordnete der SPD-Bundestagsfraktion, ­Caren Marks, am Dienstag. „Bei der Pille wird es knapp, an die Spirale ist gar nicht zu denken.“ Zudem sparten Frauen häufig an Verhütung, wenn sie vor die Wahl gestellt seien: Ein Schulranzen für das Kind oder ein Geburtstagsgeschenk hätten dann eben Vorrang.

Ein Armutszeugnis für Deutschland

Für ein hochentwickeltes Land wie Deutschland seien die Ergebnisse des Projekts ein Armutszeugnis, so Pro Familia: „Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, anzuerkennen, dass Verhütung eine Grundbedingung für sexuelle und reproduktive Gesundheit ist.“ Sie müsse allen Menschen niedrigschwellig zur Verfügung stehen. Eine Altersbeschränkung bis 22 Jahre für die Kostenübernahme, wie es derzeit bei der Pille der Fall ist, sei genauso wenig sinnvoll wie selbst finanzierte Projekte einzelner Kommunen. Man brauche eine bundesweit einheitliche Lösung.

Linke und Grüne fordern schon lange kostenfreie Verhütung. Nun liege „schwarz auf weiß“ vor, so die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Cornelia Möhring, „dass Frauen mit wenig Geld keines für Verhütung haben und auch ältere Menschen Sex haben, ohne Kinder bekommen zu wollen“. Auch sie will eine bundesweit einheitliche Lösung ohne Bedürftigkeitsprüfung.

Konkrete Zusagen machte Staatssekretärin Marks nicht. Zwar werde sie sich für einen besseren Zugang von Frauen zu Verhütungsmitteln „einsetzen“. Dieser könne aber nur im Schulterschluss mit anderen erreicht werden – sprich, mit Jens Spahn und der Union. Die Ergebnisse des Projekts, so Marks, würden zumindest „gute Argumente“ für die nun anstehenden Gespräche geben.

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