Sicherheitsdebatte um Ski-WM: Unvermögen plus Realitätsverlust

Pannen und Verletzungen domnieren die Ski-WM in Schladming. Die bisherige Bilanz der gehypten Wettkämpfe wirft unangenehme Fragen auf.

Bahnt sich einen Weg durchs Schladminger Eisfeld: Maria Höfl-Riesch. Bild: dpa

SCHLADMING taz | „Ein richtig lässiger Event“, meinte Austrias Ex-Abfahrts-Hero Stephan Eberharter. Marcel Hirscher fand’s sogar „genial“, nur Felix Neureuther flüchtete sich nach dem Team-Wettbewerb in Galgenhumor und postete via //www.facebook.com/felix.neureuther.9:Facebook nach seinem Crash mit dem Kroaten Filip Zubcic: „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen sie die Kroaten oder Ihren Apotheker :-)“. Tätä! Tätä!

Während im Rheinland die tollen Tage vorbei sind, geht die Ski-WM in Schladming weiter – eine gute Nachricht für die örtliche Unfallchirurgie. Denn Lindsey Vonn, Kjetil Jansrud, Ryan Cochran-Siegle und der Schweizer Vitus Lüönd sind vier Menschen, die nach der ersten WM-Woche mit den Folgen einer Kreuzband-OP klarkommen müssen.

Weitere könnten folgen. Die Starterfelder im Riesenslalom haben eine absurde Größe: 132 Männern, 139 Frauen. Starter von Albanien bis Zypern sind auf extrem vereisten Pisten unterwegs. Thomas Rehm, der Servicemann von Maria Höfl-Riesch, sagt: „Das sind Schlittschuhplatz-Verhältnisse hier.“ Im Fernsehen wirkt jede Piste wie eine glattpolierte Glatze.

TV-Experte Markus Wasmeier unkte vor dem Kombi-Slalom: „Da werden wir ein paar lustige Figuren von den Abfahrts-Spezialisten sehen.“ Er irrte: Die kräftigen Kerls fuhren ordentlich zwischen den Kippstangen. Chef-Carver Ted Ligety räumte aber ein: „Die Sprünge sind sehr weit gegangen, die Landung war im Flachen. Und es waren seltsame Schneeverhältnisse, teilweise wie im Frühling. Aber Skifahren ist ein generell gefährlicher Sport. Du willst immer so schnell wie möglich sein, und das auf Eis. Sobald du deine Komfortzone verlässt, wird es richtig gefährlich“, sagte der US-Amerikaner.

Gold: Tessa Worley (FRA)

Silber: Tina Maze (SLO)

Bronze: Anna Fenninger (AUT)

Rest: 4. Kathrin Zettel (AUT). 5. Frida Hansdotter (SWE), 6. Mikaela Shiffrin (USA), 7. Lara Gut (SUI), 8. Marie-Michele Gagnon (FRA), 9. Maria Höfl-Riesch (GER), 10. Ana Drev ((SLO), 11. Manuele Moelgg (ITA) und Viktoria Rebensburg (GER), 13. Jessica Lindell-Vikarby (SWE), 14. Irene Curtoni (ITA)

Erst Dauerregen, dann sibirische Kälte

Für Leute wie den österreichischen Bronzemedaillen-Gewinner Romed Baumann ist der Begriff Komfortzone ein Fremdwort. So einer lässt sich von „Patellasehnenspitzensyndrom“ doch nicht am Start hindern. Schon beim Chaos-Super-G zum Auftakt hatten die Veranstalter zunächst kein Glück: 24-Stunden-Dauerregen bei der WM-Eröffnung, danach sibirische Kälte mit bis zu minus 16 Grad.

Dann kam auch noch Pech dazu (Lindsey Vonns Sturz) plus Unvermögen (13 Verschiebungen) plus TV-Hörigkeit (gestartet wurde zum letztmöglichen Zeitpunkt) plus Realitätsverlust (Männer-Renndirektor Skaardal: „Es gab kein Problem mit der Sicht“). All das wirkt zynisch, bedenkt man, dass die SportlerInnen fast ungeschützt mit mehr als hundert Sachen den Berg runterrasen.

Der peinliche Höhepunkt war dann erreicht, als der Kroate Zubcic Felix Neureuther abräumte. Der 20-jährige B-Kader-Athlet vom Skiklub Koncar, der in zwei Weltcuprennen noch nie die Ziellinie erreicht hat, verlor die Kontrolle über die Ski, kam vom eisigen Kurs ab und rauschte ungebremst in den nebenan fahrenden Deutschen. Er erwischte ihn zwischen Skischuh und Knie – zum Glück für Felix Neureuther in einem Winkel, der ihm mit den messerscharfen Kanten von Zubcic’ Ski nicht das Bein aufschnitt.

„Den Unterschenkel weghauen“

DSV-Alpin-Direktor Wolfgang Maier sagte: „Der erste Gedanke war: Hoffentlich schneidet er ihm nicht mit der Kante den Unterschenkel auf.“ Und Neureuther? Der war sauer: „Die sollen sich überlegen, wen die da runterfahren lassen“, brummte der Medaillenkandidat, „wenn so ein Mist blöd ausgeht, kann er mir den Unterschenkel weghauen.“

Fast wäre die WM für ihn nach nur wenigen Sekunden zu Ende gewesen. „Ich bin extrem angefressen“, motzte Neureuther, „wenn einer nicht der beste Skifahrer ist und dann übermotiviert in so einen Lauf reingeht, kann da was richtig Heftiges passieren.“ Man fragt sich, warum ein derart gehypter WM-Wettbewerb auf zwei Kursen ausgetragen wird, die nur sieben Meter auseinanderliegen?

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