Siebter globaler Klimastreik: Von Asien bis zur Arktis

Beim siebten globalen Klimastreik protestieren wieder viele Menschen für mehr Klimaschutz – trotz Pandemie. Ein Überblick.

Eine bemalte Straße.

Klimastreik mit Abstand: Demonstration mit Kanus auf der Spree in Berlin Foto: Sebastian Gabsch/imago

BERLIN/KIEW taz/Agenturen | Abwechselnd prasseln Regen, Hagel und Schnee auf die Ak­ti­vis­t:in­nen der „Fridays for Future“-Bewegung herab. Von ihrem Ziel lassen sie sich aber nicht abbringen. Rund 200 Leute sind am Freitag auf der Berliner Oberbaumbrücke zusammengekommen, um die Brücke unter dem Motto „#NoMoreEmptyPromises“ zu bemalen. Weil größere Versammlungen wegen der Corona-Pandemie nicht möglich sind, soll die pandemiekonforme Kunstaktion die Ziele von FFF wieder mehr in den öffentlichen Fokus rücken.

Übertragen wird die Aktion über einen Livestream, gezeigt werden Musikperformances und später dann Drohnenaufnahmen der fertigen Kunstaktion.

Die Aktion auf der Berliner Oberbaumbrücke ist Teil des siebten globalen Klimastreiks, dem ersten globalen Klimastreiktag seit langem. Von der Oberbaumbrücke bis zur Ostukraine, von Asien bis in die Arktis sind tausende Demonstranten der „Fridays for Future“-Bewegung weltweit wieder auf die Straßen gegangen. Mit dabei waren auch Aktivisten in Staaten, in denen die Folgen der Klimakrise bereits heute stark zu spüren sind – etwa asiatische Länder wie Bangladesch, Sri Lanka und die Philippinen oder das afrikanische Kenia. Einem Tweet von Wissenschaftlern des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Bremerhaven zufolge unterstützten auch wieder Forscher in der Arktis und Antarktis die Proteste.

Und auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg war dabei. In Thunbergs Heimatstadt Stockholm legten Demonstranten auf dem zentralen Platz Sergels torg Protestschilder aus, auf denen unter anderem „Science not Silence“ (Wissenschaft statt Schweigen) und „Time is running out“ (Die Zeit läuft ab) zu lesen war. Thunberg selbst schrieb auf Twitter: “Wir streiken in Schichten, um große Menschenmengen zu vermeiden und unsere Zahlen so niedrig wie möglich zu halten.“

Greta Thunberg mit Plakaten.

War natürlich auch dabei: Aktivistin Greta Thunberg am Freitag in Stockholm Foto: Ilze Filks/reuters

Seit sechs Uhr morgens

An der Berliner Oberbaumbrücke hatten die Vorbereitungen schon um sechs Uhr morgens begonnen: Mit Kreide wurden die Umrisse für eine riesige Straßenbemalung auf den Asphalt gezeichnet, die von kleineren Gruppen mit Farbe befüllt wurden. In der Mitte der Brücke war der Slogan „Another World Is Possible“ zu lesen, daneben befanden sich acht verschiedene Symbole mit FFF-Kernforderungen: Nötig sei ein Umdenken unter anderem in den Bereichen Mobilität, Energie, Ernährung und Gesundheit.

Der durchnässte Asphalt erschwerte das Ausfüllen der Logos mit Farbe. Bewusst wurden biologische Farben auf Naturbasis wie Kurkuma und rote Beete gewählt, um die Spree nicht zu verschmutzen.

Jugendliche bemalen eine Straße.

Malen fürs Klima: Aktion von Fridays for Future auf der Oberbaumbrücke in Berlin Foto: Christian Mang/reuters

Auf Schildern appellierten die Teilnehmenden an ein vorsichtiges Verhalten. „Kein Zutritt ohne Masken“ hieß es auf einem, „Achtung Viren!“ auf einem anderen. Ein Teil der Ak­ti­vis­t:in­nen hatte vor der Aktion einen Schnelltest gemacht. Wegen der dritten Pandemiewelle ist ein vorsichtiger Umgang mit Hygieneregeln deutlich zu erkennen.

„Zeit für leere Versprechen vorbei“

Dass die Pandemie größere Straßenproteste verhindert und der Bewegung Aufmerksamkeit gekostet hat, sieht auch FFF-Sprecher Quang Paasch so: „An Momentum verloren haben wir ohne Frage. Der Diskurs hat sich auf die Pandemie verschoben. Der Kampf für das 1,5-Grad-Ziel ist aber nicht weniger relevant geworden.“

Mit Blick auf das anstehende Wahljahr erklärte Mitorganisatorin Carla Reemtsma: „Die kommende Legislaturperiode sehen wir als entscheidend. Wenn wir so weitermachen, ist unser CO2-Budget in sieben Jahren aufgebraucht.“ Angedacht seien daher auch weitere Aktionen, um eine konsequente Umsetzung des 1,5-Grad-Ziels einzufordern. Die Zeit für leere Versprechen sei vorbei.

Protest in der Ukraine

Das sehen auch viele in der Ukraine so. Dort haben sich in insgesamt 15 Städten Menschen an dem weltweiten Streik beteiligt. Dies berichtete ein Sprecher der Kiewer Gruppe von „Fridays for Future“ gegenüber der taz. Mit Plakaten und Transparenten hatten sich am Freitagvormittag 25 Personen vor dem Sitz der ukrainischen Regierung in Kiew versammelt und ein „Ende der leeren Versprechungen im Klimaschutz“ gefordert.

Auf Plakaten forderten sie „ändert das System, nicht das Klima“, „be part of the solution, not the pollution“, „100% Erneuerbare bis 2050“. „Entschuldigung Mama, ich kann dich nicht zur Oma machen auf diesem Planeten“, hatte eine Frau auf ein Plakat geschrieben.

Jugendliche mit Plakaten bei einer Demonstration.

Kreativer Protest in der ukrainischen Hauptstadt Kiew Foto: Valentyn Ogirenko

Nach einer Stunde zogen die Protestierenden zum wenige Meter entfernten Parlament. In einer Erklärung forderten die Um­welt­schüt­ze­r:in­nen bis 2030 eine Reduktion der ukrainischen klimaschädlichen Emissionen auf ein Niveau von 72 % gegenüber dem Jahr 1990. Zudem müsse bis 2050 ein klimaneutrales Wirtschaften erreicht werden. Außerdem solle die ukrainische Regierung endlich den Klimanotstand ausrufen, so die Aktivist:innen.

Besonderheit Marhanez

Das Ziel eines Umstieges auf ein klimaneutrales Wirtschaften bis 2050 ist durchaus realistisch. 2017 beschrieben ukrainische Wissenschaftler in einem gemeinsamen Bericht der Heinrich-Böll-Stiftung und des Instituts für Wirtschaft und Prognostizierung der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine, wie die Ukraine bis 2050 zu 90 Prozent auf erneuerbare Energien umsteigen kann.

Noch hat die ukrainische Klima-Bewegung unter Schü­le­r:in­nen wenig Rückhalt. Eine Ausnahme ist die 48 Tausend-Einwohner Stadt Marhanez in der Ostukraine. Hier waren so viele Menschen auf die Straße gegangen wie in Kiew. „Und die meisten von uns waren Schü­le­r:in­nen um die 16 Jahre“, berichtet die Sprecherin Julia Bond der taz am Telefon. Man freue sich, dass man auch in einer Kleinstadt Teil der ukrainischen und der weltweiten Klimabewegung sein könne.

Quecksilberhaltige Produkte in den Hausmüll

Man habe gemeinsam einen Brief an die Regierung geschrieben und diese aufgefordert, bis 2050 die ukrainische Wirtschaft mit 100 Prozent erneuerbarer Energie zu versorgen. Aber man habe auch Forderungen an die lokale Verwaltung und den Bürgermeister gerichtet. In der Stadt gebe es weder Mülltrennung noch eine Einrichtung für Sondermüll. Quecksilberhaltige Produkte, Batterien, Computer etc. würden im ganz normalen Hausmüll entsorgt.

Deswegen habe die Fridays for Future-Gruppe in Marhanez auch die Einrichtung einer Sammelstelle für Sondermüll und Mülltrennung gefordert, so Julia Bond. Die Klimakatastrophe ist auch in der Ukraine angekommen.

Unterdessen veröffentlichte das renommierte Portal lb.ua einen Artikel über mögliche Folgen des Klimawandels in der Ukraine. Darin kommen ukrainische Wissenschaftler und Experten zu dem Schluss, dass insbesondere dem Gebiet um Odessa bis 2040 Überschwemmungen, Dürreperioden und ein Anstieg des Meeresspiegels bevorstehe. Infolge des Wassermangels drohe der Landbevölkerung um Odessa wegen Ausfällen in der Landwirtschaft eine soziale Katastrophe.

Auch Kirchen mit dabei

Fridays for Future hatte für diesen Freitag zum ersten globalen Klimagroßprotest des Jahres aufgerufen. Unter dem Motto #NoMoreEmptyPromises – keine leeren Versprechungen mehr – wollten die Organisatoren in mehr als 50 Ländern gegen die Förderung fossiler Brennstoffe und eine aus ihrer Sicht verfehlte und mangelhafte Klimapolitik protestieren. In Deutschland sind nach Angaben der Veranstalter unter Einhaltung von Corona-Hygieneregeln Präsenz-Aktionen in mehr als 210 Städten geplant. Größere Kundgebungen sollten etwa in Berlin, Köln und Hamburg stattfinden.

Auch die Kirchen hatten zu dem Klimastreik aufgerufen. „Wir wissen seit Langem, dass wir etwas gegen den Klimawandel und für die Bewahrung der Schöpfung tun müssen“, betonte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Christian Stäblein: „Er betrifft uns alle, aber ganz besonders den Globalen Süden.“

Die Bewegung „Fridays for Future“ habe viele wachgerüttelt, betonte Stäblein: „Sie erinnern uns mit ihrer inzwischen weltweiten sozialen Bewegung für das Klima und ihrem Aufruf zum globalen Klimastreik nachdrücklich daran: Wir können nicht so weitermachen wie bisher.“ Auch die Kirche sei in der Pflicht, Verantwortung für die Schöpfung zu übernehmen.

Das Motto „#AlleFür1Komma5“ mahnt die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens von 2015 an. Der Vertrag setzt das Ziel, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, wenn möglich sogar auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen.

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