Silvia Gómez Bernal: "Manche Emsländer sind eigentlich Spanier"

14 junge SpanierInnen machen ein Praktikum im Emsland. Nach drei Monaten hoffen sie, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Silvia Gómez Bernal berichtet von ihren ersten Eindrücken.

Dicke Pötte mitten im Land: das Emsland, Sehnsuchtsort für junge SpanierInnen. Bild: dpa

taz: Silvia, seit einer Woche bist du im Emsland. Was sind deine ersten Eindrücke?

Silvia Gómez Bernal: Als Erstes ist mir das ganze Grün aufgefallen, all die Bäume und die vielen Seen. Das Wetter ist hier völlig anders als in der Gegend in Spanien, wo ich gewohnt habe. Auch die Deutschen haben mich überrascht. Ich dachte die Deutschen seien verschlossen und introvertiert, hier habe ich gemerkt: Das stimmt überhaupt nicht. Manche Menschen hier sind von der Lebenseinstellung eigentlich Spanier. Ich fühle mich hier sehr wohl – mit den Menschen und in der Stadt Papenburg.

Viele Zeitungen interessieren sich für euch, auch das Fernsehen war schon zu Besuch. Kommt dir das ein bisschen komisch vor?

Ja, das ist ganz schön komisch. Ich verstehe nicht so recht, warum sich so viele Medien für ein paar junge Leute aus einer kleinen spanischen Stadt interessieren. Das ist schon ungewohnt, wenn Fotografen und Kameras da sind.

Wie kamst du dazu, dich zu bewerben?

Vor eineinhalb Monaten habe ich davon gehört, dass es dieses Praktikum gibt mit der Option, dass wir nachher in Deutschland eine Ausbildung beginnen können. Ich habe sofort gesagt: Das will ich machen. Ich wollte raus aus Spanien, ich wollte in der Welt herumreisen, andere Kulturen kennenlernen und neue Sprachen lernen. Ich lerne bereits zwei Fremdsprachen. Da dachte ich mir: eine mehr? Umso besser! Also haben wir uns beworben, ich und ein Freund von mir. Vor zwei Wochen kam die Nachricht, dass wir beide ausgewählt wurden.

War es eine schwere Entscheidung für dich, nach Deutschland zu gehen?

Nein, eigentlich gar nicht. Ich hatte mich schon vorher entschieden, dass ich weg wollte. Meine ganze Familie hat mich dann auch unterstützt und mir gesagt: „Mach das! Das ist eine gute Erfahrung!“

21, stammt aus Cartagena in der spanischen Region Murcia. Sie hat die Schule abgeschlossen, jetzt macht sie ein Praktikum in der Baumaschinenfirma Paus in Emsbüren.

Was wusstest du vorher von Deutschland?

Freunde von mir, die hier waren, haben mir ein bisschen was erzählt. Die deutsche Kultur ist offen für sehr vieles. Zum Beispiel im Bereich Musik: In Deutschland gibt es ganze verschiedene Musikrichtungen. In Spanien gibt es fast nur Popmusik und ein bisschen Rock. Wenn du da was anderes hörst, schauen dich die Leute verwundert an.

Neben deiner Abenteuerlust, warum wolltest du weg?

Ich habe an meine berufliche Zukunft gedacht. In Spanien läuft es ja gerade nicht wirklich gut, das ist in Deutschland und ganz Nordeuropa ein bisschen anders. Natürlich macht es sich auch im Lebenslauf gut, ein Praktikum in Deutschland gemacht zu haben.

Wie bewertest du die aktuelle Lage in Spanien?

Spanien ist in einer schwierigen Situation. Wenn man in Europa manchmal hört, dass die Spanier faul seien oder nichts lernen wollen, das ist einfach falsch. Es gibt hier so viele junge qualifizierte Fachkräfte. Ein Freund von mir hat gerade seine Ausbildung als Lebensmitteltechniker abgeschlossen. Wenn er jetzt in Spanien einen Job findet, verdient er gerade mal 600 Euro im Monat, vielleicht auch weniger.

Hättest du in Spanien Chancen auf einen guten Job gehabt?

Wenn ich in Spanien einen guten Job bekommen möchte, muss ich eine eigene Firma gründen. Aber das ist auch nicht einfach: In Spanien kann das ganze Prozedere bis zu einem Jahr dauern. Das ist für jemanden, der nicht viel Geld hat, gar nicht zu stemmen.

Das „gute Leben“, was ist das für dich?

Das ist schwierig. Vielleicht einen Job finden, der mir gefällt, gutes Essen haben, gute Musik und natürlich mit netten Leuten zusammen zu sein. Die richtigen Leute sind schon wichtig, wenn man alleine ist, bringt es ja auch nichts, einen tollen Job zu haben.

Wichtige Menschen sind bei dir gerade relativ weit weg. Wie gehst du damit um?

Ich bin mittlerweile sehr gut mit zwei Leuten aus meiner Gruppe befreundet. Mit der Familie ist es wirklich hart, ich musste so viele Menschen zurücklassen, die mir am Herzen liegen. Mit meinen Eltern spreche ich alle zwei oder drei Tage über Skype. Im Juni oder Juli wollen sie nach Deutschland kommen und sich hier alles angucken.

Siehst du große Unterschiede zwischen Deutschland und Spanien?

Die Begrüßung hier ist für mich schon sehr ungewohnt. In Spanien begrüßt man sich mit zwei Küsschen und hier gibt man sich die Hand. In Spanien ist sich die Hand zu geben etwas sehr Unpersönliches, das macht man eigentlich nur beim Chef oder beim Arzt.

Im Sommer entscheidet sich, ob du einen Ausbildungsplatz bekommst. Möchtest du gerne bleiben?

Ja, ich kann mir das sehr gut vorstellen. Mal sehen, was mein Chef dazu sagt.

Und nach der Ausbildung, kannst du dir ein Leben im Emsland vorstellen?

Wenn ich erst einmal drei Jahre hier bin, werde ich Freunde hier haben, vielleicht auch eine Beziehung, wer weiß. Ich kann mir schon vorstellen, eine Zeit in Deutschland zu bleiben, aber im Grunde weiß ich es noch nicht. Vielleicht gehe ich auch zurück nach Spanien oder noch einmal ganz woanders hin, zum Beispiel nach Russland.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.