Skandal um BND-eigene Selektorenliste: Altmaier wollte gar nicht spionieren

Es seien beim BND „einige Dinge schiefgelaufen“. Die SPD fordert eine Radikalreform des BND, die Grünen fühlen sich vom Kanzleramt belogen.

Unscharf im Vordergrund eine bunte Mütze, hinten am Tisch sitzt ein kahler Mann mit Krawatte, es ist Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU), der auch für Geheimdienste zuständig ist

„Niemand hat die Absicht, befreundete Staaten auszuspionieren“, sagte Altmaier nicht. Foto: dpa

BERLIN rtr/dpa | Für die Bundesregierung bleibt das Ausspionieren von befreundeten Staaten wie USA und Frankreich ein Tabu. Das betonte am Freitag im Deutschlandfunk Kanzleramtschef Peter Altmaier, der für die Koordinierung der Geheimdienste zuständig ist. Der CDU-Politiker reagierte damit auf Berichte, nach denen der deutsche Auslandsgeheimdienst BND bis weit ins Jahr 2013 hinein enge Partner Deutschlands ausgespäht haben soll.

Zu den jüngsten Berichten selbst wollte sich Altmaier nicht konkret äußern. „Wir haben über diese Fragen (...) die zuständigen parlamentarischen Gremien informiert“, sagte er lediglich. Dabei verwies er auf frühere eigene Äußerungen, nach denen beim BND „einige Dinge schiefgelaufen sind und dass diese Dinge aufgeklärt werden“. Nicht beantworten wollte er mit Hinweis auf die Vertraulichkeit solch sensibler Fragen, ob das Kanzleramt über die jüngst bekanntgewordenen Vorgänge informiert gewesen oder ob es vom BND hintergangen worden sei.

Mehrere Medien hatten zuvor berichtet, dass die deutschen Auslandsaufklärer auch Botschaften und andere Behörden von befreundeten Ländern ins Visier ihrer elektronischen Aufklärung genommen hätten – obwohl Kanzlerin Angela Merkel schon im Sommer 2013 unter dem Eindruck der NSA-Spähaffäre betont hatte: „Abhören unter Freunden – das geht gar nicht!“ Altmaier versicherte nun, dass diese Vorgabe weiter gelte.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann fordert angesichts der Berichte einen radikalen Umbau des Auslandsgeheimdienstes. „Der BND muss offensichtlich von Grund auf reformiert werden“, sagte Oppermann der Stuttgarter Zeitung. „Als wir von der massenhaften Ausspähung der NSA in Deutschland erfuhren, waren wir alle empört“, so der SPD-Politiker. „Jetzt kommt heraus, dass der BND, entgegen aller Beteuerungen, selbst Freunde ausgespäht haben soll. Es macht mich fassungslos, dass wir das erst jetzt erfahren.“

Grüne bringen Ablösung des BND-Präsidenten ins Spiel

Die Grünen im Bundestag halten angesichts der Enthüllungen eine Ablösung von BND-Präsident Gerhard Schindler für möglich. „Wenn das alles so stimmt, dann wird man im Bundeskanzleramt und im Bundesnachrichtendienst um Konsequenzen nicht herum kommen“, sagte der Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Konstantin von Notz, der Mitteldeutschen Zeitung. „Denn dann sind wir belogen worden. Natürlich steht dann auch der BND-Präsident zur Disposition.“

Von Notz fügte hinzu: „Das gesamte Verteidigungskonstrukt des Bundeskanzleramtes zerfällt. Das ist alles unterirdisch. Dafür werden Menschen politische Verantwortung übernehmen müssen.“ Am Mittwoch war bekanntgeworden, dass der BND bis Ende 2013 eigene Selektoren zu Spionagezwecken gegen Verbündete eingesetzt hat.

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