Skandal um Haasenburg-Jugendheime: Ein Raum voller Indizien

Die Untersuchung der Misshandlungen bei der Haasenburg GmbH wird beschleunigt. Derweil stellt sich die Frage nach Alternativen zu geschlossenen Heimen.

Die Atmosphäre in den Haasenburg-Heimen wirkt nur auf den ersten Blick friedlich. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die Aufarbeitung der Misshandlungsvorwürfe gegen Erzieher und Verantwortliche der Haasenburg GmbH könnte schneller fortschreiten als geplant. So wird ein zunächst für Dezember vorgesehener Abschlussbericht der Untersuchungskommission voraussichtlich schon Ende Oktober oder Anfang November fertiggestellt. Ein für Ende September geplanter Zwischenbericht entfällt.

Die taz hatte drastische Missstände in den Heimen aufgedeckt, mehrere Jugendliche, die aus dem Heim geflohen waren, hatten von brutalen Maßnahmen wie Fixierung und Isolation berichtet. Protokolle, die der taz vorliegen, bestätigten dies.

Zwei Tage nach der Berichterstattung, hatte die zuständige Brandenburgische Ministerin Martina Münch (SPD) eine Untersuchungskommission angekündigt. „Wir wollen die Vorwürfe über gravierende Missstände in den Jugendhilfeeinrichtungen der Haasenburg GmbH umfassend aufklären. Dabei setzen wir auf externe Unterstützung“, hatte Münch gesagt.

Auch die Staatsanwaltschaft Cottbus arbeitet intensiv an der Aufarbeitung. Mittlerweile ermittelt die Behörde in über 50 Fällen zum Komplex Haasenburg GmbH, wie Oberstaatsanwältin Petra Hertwig der taz mitteilte. Drei Polizisten und eine Staatsanwältin seien für diese Tätigkeit abgestellt. Das beschlagnahmte Material fülle einen ganzen Raum und es gingen weiter Anzeigen ein.

Bericht soll Verbesserungsvorschläge enthalten

Allerdings habe die Staatsanwaltschaft keine Videoaufzeichnungen gefunden. Nach taz-Informationen wurden vor allem die mitunter brutal ablaufenden Antiaggressionsmaßnahmen gefilmt, was viele interne Dokumente belegen, die der taz vorliegen. „Die Maßnahme wurde videodokumentiert und protokolliert“, heißt es in einem Dokument, das an die Vertreterin der Heimaufsicht im Landesjugendamt, Anita Stöhr, gerichtet ist.

Martin Hoffmann, Vorsitzender der Untersuchungskommission, sagte, die Experten hätten Gelegenheit gehabt, zahlreiche Gespräche mit ehemaligen Erziehern, Bewohnern und Vertretern der Haasenburg GmbH zu führen. Zudem werteten sie auch interne Protokolle der Firma aus. Hoffmann betonte, der Abschlussbericht werde sehr umfangreich ausfallen. „Wir werden Vorschläge zur Qualitätssicherung der Hilfen zur Erziehung machen.“ Es gebe „viele Bereiche in der Jugendhilfe, in denen Verbesserungen notwendig sind“, so Hoffmann.

Er verwies auf einen Bericht des brandenburgischen Landesjugendhilfeausschusses von 2001 zu „Alternativen zur geschlossenen Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in der Jugendhilfe“. Dort heißt es: „Gelingende Beziehungsarbeit kann weit besser in Freiheit als unter freiheitseinschränkenden Bedingungen geleistet werden.“ Man setze „grundsätzlich auf Freiwilligkeit und Kooperation mit jungen Menschen und deren Familien“.

Der Bericht belegt eindringlich und mit regionalen Daten aus Brandenburg die Nachteile der geschlossenen Unterbringung und wendet sich gegen diese Erziehungsmethode. Erstaunlicherweise wurde er veröffentlicht, als die Haasenburg GmbH vom Landesjugendamt die Betriebsgenehmigung erhielt. Dabei ist das Landesjugendamt Mitglied im Landesjugendhilfeausschuss, der diesen Bericht herausgab. Hoffmann deutete an, dass es auch nach dem Bericht der Untersuchungskommission weiteren Klärungsbedarf geben werde.

Belegungsstopps wurden teilweise aufgehoben

Der Sprecher des Brandenburgischen Bildungsausschusses, Torsten Krause (Linke), sagte der taz, er verbinde mit dem Abschlussbericht „die Hoffnung, dass wir aus der Hängepartie der sich wiederholenden Entscheidungen um Belegungsstopps und Beschäftigungsverbote herauskommen“.

Das brandenburgische Bildungsministerium teilte der taz mit, dass Mitte Oktober erneut über einen Belegungsstopp entschieden werde, der von Ministerin Münch verhängt und teilweise wieder aufgehoben wurde. Momentan besteht nur noch für den Standort Müncheberg ein solcher Belegungsstopp. In Neuendorf dürfen wieder Kinder aufgenommen werden, der Standort Jessern wurde mittlerweile geschlossen.

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