Ski Nordisch in Thüringen: Monotonie im Kühlschrank

In Oberhof werden Jahr für Jahr Millionenbeträge versenkt, um den Ort als Wintersportmekka zu etablieren. Eine riesige Langlaufhalle verschluckt Umengen an Energie.

150 Lkw mit Schnee wurden schon noch Oberhof gekarrt. Bild: dpa

OBERHOF taz | Der Schnee war knapp zum Start der Tour de Ski am Donerstag im 1.500 Einwohner kleinen Thüringer Wintersportörtchen Oberhof. Grüne Bäume und Wiesenflächen bildeten einen starken Kontrast zum künstlich belegten Loipenareal am Grenzadler. Während die über 800 Meter hoch gelegene, einstige Wintersportzentrale der DDR im vergangenen Winter fast im Schnee versank, ist der von Meteorologen prognostizierte zunehmende Schneemangel in deutschen Mittelgebirgen heuer wieder ein Thema.

150 Lkws mit Schnee aus der näheren Umgebung sowie 20 große Lkw-Ladungen mit Fischkühleis aus Bremerhaven wurden für die Präparation der Wettkampfloipen rangekarrt. Erst am Donnerstagabend kam der herbeigesehnte Neuschnee. Dabei, so wurde dem Steuerzahler zur Einweihung der "bis dato modernsten Skihalle der Welt" im Sommer 2009 erklärt, sollte die Kunstschneeproduktion in Mitteleuropas größtem und wohl auch teuerstem Kühlschrank erfolgen.

Ein riesiges weißes Krokodil

Die Halle, die ursprünglich unterirdisch als Skitunnel gebaut werden sollte, liegt, aus der Luft betrachtet, wie ein riesiges weißes Krokodil im grünen Fichtenwald, zwischen Biathlonarena und Rodelbahn. Die ganzjährig nutzbare Trainingsstätte mache Oberhof endgültig zum Mekka des nordischen Skisports, so hatte der damalige Sportminister Reinholz (CDU) zur Eröffnung schwadroniert.

Dabei sind Erfolge, die mit dem Bau der Halle in direkte Verbindung gebracht werden können, kaum messbar. Im Bereich der Skilanglauf-Frauen ist nach dem Abtritt von Manuela Henkel keine Frau aus Thüringen in Sicht, die es in den A-Kader schaffen könnte.

Oberhof ist seit jeher ein Fass ohne Boden. In den 60er Jahren rüstete DDR-Staatschef Ulbricht den Mittelgebirgsskiort mit einer großen Skischanze und Ferienheimen sowie dem riesigen "Panorama"-Hotel zur Wintersportzentrale auf. 1971 kam dann die Kunsteis-Rodel- und Bob-Bahn dazu. Seit dem Mauerfall flossen über 70 Millionen Euro Steuergelder in die sportliche und touristische Infrastruktur.

25 Millionen bereitgestellt

Für ein neues Multifunktionsgebäude in der Skiarena für Sportler, Betreuer und die Medien sowie die Sanierung der Rennsteigtherme, die seit 2008 schon geschlossen ist, und die Neugestaltung des Ortskerns hat die Landesregierung in Erfurt nun wieder insgesamt 25 Millionen Euro bereitgestellt. Die sollen in den kommenden Jahren verbaut werden.

Zum Weltcup 2013/2014 soll das neue Skistadiongebäude, welches der Biathlonweltverband IBU fordert, fertig sein, andernfalls könne es keine Bestandsgarantie für den Weltcup mehr geben, heißt es. Millionenspritzen von Bund, Land und Landkreis gab es für den "touristischen Leuchtturm Oberhof" in den letzten zwei Jahrzehnten zur Genüge. Jedoch gibt es gehörige Zweifel, ob die lokalen Verantwortungsträger, Insider bezeichnen sie als windige Provinzfürsten, überhaupt die Richtigen seien für den Job.

Geldstrafe für den Bürgermeister

Oberhofs hauptamtlicher Bürgermeister Thomas Schulz wurde im Januar 2011 im Zusammenhang mit mehrjährigen Korruptionsermittlungen vom Amtsgericht Meiningen wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von fast 9.000 Euro verurteilt.

Bereits im Februar 2010 war bekannt geworden, dass ein Korruptionsermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Erfurt gegen den Leiter des Olympiastützpunktes sowie langjährigen Organisationschef des Biathlon-Weltcups, Wolfgang Filbrich, gegen Zahlung von 7.500 Euro Geldauflage eingestellt wurde.

Im Sommer trat der einstige DDR-Biathlontrainer und heutige Strippenzieher Filbrich ins zweite Glied zurück und ist seither der Vize-Weltcup-Organisationschef. Und gegen den Tourismusdirektor von Oberhof läuft derzeit ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Meiningen wegen des Verdachts des unerlaubten Entfernens vom Unfallort, kurz Fahrerflucht.

Er hatte in Oberhof im September mehrere Autos mit seinem Pkw erheblich touchiert und sich erst am nächsten Tag bei der Polizei gemeldet. Engagierte Oberhofer Pensionsbesitzer schimpfen seit Jahren über den Dilettantismus der Stadtverwaltung und den alten SED- und Stasi-Filz, besonders in den Oberhofer Sportstrukturen.

"Winter. Wann immer Du willst"

Den 600 zum Großteil freiwilligen Helfern, die Schnee geschaufelt haben, ist es zu verdanken, dass solche für die provinzielle Waldregion bedeutsamen Großereignisse wie der Langlauf- und Biathlon-Weltcup überhaupt stattfinden können.

"Winter. Wann immer Du willst", heißt der Werbeslogan von Deutschlands erster Skilanglauf- und Biathlon-Halle für jedermann. Die hat einen Energiebedarf, der mit dem einer Kleinstadt vergleichbar ist, wie der Hallenchef sagt. Auch Breitensportler und Touristen dürfen nach den Trainingsrunden der Skistars die Anlage nutzen und sich bei Kunstlicht und minus vier Grad Lufttemperatur in dem ein Kilometer langen Betonschlauch, der nur im Mittelteil über einige Fenster verfügt, bewegen.

Schließlich soll ja das Betriebskostendefizit von circa 700.000 Euro pro Jahr, das vom Freistaat übernommen wird, nicht noch größer ausfallen. Die erste Stunde ist für 14 Euro zu haben.

Ein Selbsttest sorgte nicht gerade für euphorische Stimmung. Ist das Skilaufen in der Betonskihalle doch ziemlich monoton, trotz mehrerer Steigungen und Abfahrten. Sind zu viele Sportler in der Halle, dann wird es eng. Manchmal kommen die Spitzensportler auch zu Zeiten, die eigentlich dem Breitensport zugeteilt sind. Da habe es untereinander auch schon öfters mal Zoff gegeben. Die zahlenden Hobbysportler wurden beim Laufen aus der Spur gedrängt.

Der Langlauf-Weltcup profitiert

Der Heidelberger Sportpädagoge Gerhard Treutlein erinnert zudem an den Fakt, dass Monotonie im Training sich eher destruktiv auf die Leistung auswirke. Dieses Phänomen verstärke sich erheblich, wenn die Trainingsstrecke gerade bei Ausdauersportlern sich eben nicht im Freien befindet.

Am kommenden Mittwoch beginnt der Biathlon-Weltcup in Oberhof, das absolute Großereignis mit 100.000 Zuschauern in fünf Tagen. Davon profitiert der Langlauf-Weltcup ungemein, da dieser zuvor schon die ganze technische und gastronomische Infrastruktur mitbenutzen kann.

Die ersten drei Tage gibt es wieder Flutlichtrennen, weil das Fernsehen wegen der besseren Quoten das so haben möchte. Ein neuer Song für die Skijäger-Fans, von einer Werbeagentur angepriesen, soll für kollektive Hochgefühle sorgen. "Wir setzen keinen Schuss daneben", lautet der treffliche Titel. Angesichts der Details der Thüringer Naziterror-Bande eine wahrlich geistreiche Idee.

Die Marketingchefin der Tourismus GmbH Oberhof, Ivonne Pompernigg, wird zum Fan-Song in der Lokalpresse wie folgt zitiert: "Wir unterstützen die Idee gern, bringt sie doch Oberhof weit über die Grenzen Thüringens hinaus als Wintersport- und Ferienort in das Bewusstsein unserer Kunden."

Als die Fernsehkameras längst ausgeschaltet waren, liefen am Donnerstagabend Kinder von Thüringer Skivereinen auf der Weltcup-Loipe noch einen kleinen Wettkampf. Ohne laute Musikbespaßung und das via Mikrofon angeordnete Massenschunkeln wie noch Stunden zuvor bei der Tour de Ski. Und da konnte man dann wieder den noch weitestgehend unverfälschten Sport erleben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.