piwik no script img

Social-Media-Verbot in AustralienPolitologe sieht Gefahr für politisches Wissen

Das ab Mittwoch in Australien geltende Social-Media-Verbot soll junge Menschen schützen. Doch es könnte der Demokratie schaden, warnt Politologe Zareh Ghazarian.

,,Viele Schüler nutzen soziale Medien, um sich zu informieren“, sagt der Politologe Zareh Ghazarian Foto: Hollie Adams/reuters

Aus Wingello

Urs Wälterlin

Jugendliche in Australien sollen politisches Wissen aufbauen, um aktive und informierte Mitglieder der Gemeinschaft zu werden. Zu diesem Zweck investierte die Regierung in den Politikunterricht. Doch die Ergebnisse sind laut Untersuchungen des Politologe Zareh Ghazarian von der Monash Universität in Melbourne alles andere als positiv. Der Stand der politischen Bildung in Australien habe sich in den vergangenen Jahren verschlechtert, konstatiert er. Und das Social-Media-Verbot für Jugendliche, das dort am Mittwoch in Kraft tritt, dürfte diesen Prozess noch beschleunigen.

Wenn junge Menschen die 12. Klasse abschließen, sind sie entweder schon wahlberechtigt oder dies steht kurz bevor. Ihre mangelhafte politische Bildung bereitet dem Wissenschaftler große Sorgen. „Das Verbot sozialer Medien könnte dies noch verschlimmern“, so Ghazarian.

Regierungen mögen zwar das Ziel verfolgen, das politische Wissen der Jugend zu stärken. Die Verantwortung für die Gestaltung und Durchführung des Politikunterrichts liegt jedoch bei Lehrkräften. Für einige von ihnen seien soziale Medien wichtig, um junge Menschen an politische Debatten und Themen weltweit heranzuführen.

„Schüler engagieren sich tatsächlich stärker aufgrund dessen, was sie in den sozialen Medien sehen. Ich liebe es, wenn sie in meinem Unterricht loslegen und debattieren, was sie darüber denken. Das ist einfach fantastisch“, hat ein Lehrer dem Wissenschaftler berichtet. Schüler wüssten oft nicht, wen sie zu politischen Themen fragen sollen, „deshalb nutzen viele soziale Medien, um sich zu informieren“.

Das Parlament weiß es eigentlich besser

Auch eine Untersuchung des australischen Parlaments habe auf die Bedeutung sozialer Medien für das politische Wissen hingewiesen. Eine Empfehlung lautet, „Leitlinien, Ressourcen und Werkzeuge zu entwickeln, die die Vermittlung von Medien- und Digitalkompetenz unterstützen“. Sie sollen „soziale Medien, Fehlinformationen, Desinformation und künstliche Intelligenz abdecken“.

Schüler, die sich bisher für ihre politische Entwicklung auf soziale Medien verlassen hätten, müssten nun neue Quellen finden, warnt Ghazarian. „Die politische Online-Welt junger Menschen steht möglicherweise kurz vor dem Erlöschen“, fürchtet der Experte.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • Ich kann nur annehmen, dass der Herr Politologe scherzt. Denn ansonsten muss man zum Schluss gelangen, dass er das meist verschwörungstheoretische Gefasel, üblicherweise von rechts aussen, von sogenannten Influencern auf 'social media' für sinnvolle politische Bildung hält, die aus jugendlichen Schnarchnasen wache, engagierte und demokratistützende Bürger macht.



    Natürlich kann es sein, dass auch er dort seine politische Bildung erhielt. Dann ist er aber kein Politologe sondern eben auch nur ein faselnder 'Influencer'.

  • Interessante Argumentation:



    Die politische Information der Jugendlichen ist schlecht. Bisher hatten die Jugendlichen aber Zugang zu den sozialen Medien. Daraus zu folgern, dass Wissen über Politik würde nun



    ( noch) schlechter, ist eine bloße Annahme.



    Laut Studien in Deutschland sind viele Jugendliche nicht in der Lage, fake news von einer "echten Nachricht" zu unterscheiden.



    Der ältere Teil der Gesellschaft schneidet hier deutlich besser ab.



    Das spricht klar für "klassische Bildung".



    Das abfallende Niveau der Bildung ist durch diverse Pisa Studien belegt.



    Durch die KI kommt das neue Problem, sich Texte verfassen zu lassen. Das dies dem Lernprozess nicht förderlich ist, dürfte klar sein.



    Jüngst wurde ebenfalls ermittelt, dass KI in seinen Texten häufig Fakten einfach erfindet. Somit ist dieser Zugang zur Bildung noch fragwürdiger.



    Komplexe politische Zusammenhänge werden in kurzen Video Sequenzen gern "vereinfacht".



    Das ist eine gute Möglichkeit für Populismus, aber schlechte Aussichten für die Wahrheit.

  • Quatsch, es gibt Alternativen und jetzt gibt es auch einen Anreiz, noch bessere Alternativen zu schaffen.

    Das Verbot entspannt die Lage, verschafft uns Zeit dafür!

    Ich hätte auch gerne hier so ein Verbot. Die Jugend findet schon ihre Informationsquellen. Das gesundheitsschädliche Suchtmittel "Handy" ist da nicht nötig!

  • Ehm ... bis gerade war es noch so, dass über die sozialen Medien Unmengen an - von allem rechtspopulistischen bis rechtsextremistischen - Lügen verbreitet wurden. Seit wann ist das ein Ort, sich politisch zu bilden?

    • @Kaboom:

      Gute Frage. Werbung, Hetzte, Trickserei mit dem Belohnungssystem...



      Schön dass die Jugend nicht mehr Opfer der Konzerne und Regierungen sein muss!

    • @Kaboom:

      Wahrscheinlich ging es dem Autor um die Erkenntnis, sich durch den Schlamm des politischen Sumpfes zu wrestlen um so Erleuchtung zu erfahren?



      Und bestimmt meint er auch, dass ein Kind bzw. ein Jugendlicher das auch intellektuell reflektieren und einordnen kann.....

  • Ja, man fragt sich, ob es vor Social Media überhaupt sowas wie eine Demokratie gegeben hat.

  • Das Problem ist nicht die unerreichbare pol. Bildung, sondern die unkontrollierbare Flut an Fakenews und Zerrbildern, die auch seitens der Betreiber nicht eingedämmt werden.



    Ist dieses Zu Kreuze kriechen gegenüber Trump der Techgrößen schon vergessen, die in Zukunft keinerlei Reglement mehr zulassen werden?



    Darin besteht die pol. Gefahr, die USA haben es doch bereits schon vorgemacht, wenn Geld und Einfluß Wahlen bestimmen.

  • Wie konnte ich bloß ohne TikTok zum Demokraten werden?

    • @Suryo:

      Sind denn die TikTokker alles Demokraten?

  • Corporation driven "Social" Media, um sich politisch zu bilden? Hat der Politologe aus Melbourne das Geschäftsmodell der Datenhändler nicht verstanden? Noch nie davon gehört, wie Algorithmen dafür sorgen, dass etwas trendet? Aufmerksamkeitsökonomie? Unglaublich.

    Es geht hier nicht darum, das Internet abzuknipsen - sondern einer Gruppe verantwortungsloser (ich würde sogar sagen krimineller) Konzerne die Bremse reinzuhauen.

  • Gerade die Betroffenen mit Sucht Potential werden ohne Probleme weiter auf den Plattformen unterwegs sein.



    Ob nun VPN, falsche Angaben, falsche Bilder usw.



    An sich ist das Ganze eine Kapitulation vor den Anbietern - Regulierung der Inhalte schafft man nicht oder traut man sich nicht, dann installiert man ein pseudo Verbot.

    • @M_Kli:

      Diese Entwicklung war mir klar, als mir das erste Mal jemand stolz sein FacebookDarfichnichtsagen gezeigt hat.

  • "... Schüler wüssten oft nicht, wen sie zu politischen Themen fragen sollen, „deshalb nutzen viele soziale Medien, um sich zu informieren“. ..." Die AgD freut das, da sie ja das flooding the zone with shit beherrscht.

  • "Die politische Online-Welt junger Menschen steht möglicherweise kurz vor dem Erlöschen" - so ein Unsinn! Social-Media-Verbot bedeutet doch nicht, dass andere (klassische) Medien und Onlinemedien nicht konsumiert werden dürfen. Angebote vergleichbar der taz können australische Kinder und Jugendliche weiterhin lesen und sich so politisch bilden.

  • Es gibt sicher auch in Australien Zeitungen wie die Taz, die den redaktionellen Beiträgen keine Bezahlschranke entgegenstellen.



    Insofern dürfte es kein Problem für politisch interessierte Jugendliche sein, sich zu informieren, wenn sie es denn wollen.



    Soziale Medien sind zur politischen Information in Australien sicher genauso ungeeignet wie in Deutschland.

    • @Dirk Osygus:

      Ist nicht viel anders als früher mit "Zeit" vs BILD-"Zeitung". Und an den Verkaufszahlen erkannte man, dass Qualität verliert. Damals wie heute.