"Socl" von Microsoft: Soziales Netzwerk in der Schublade

Auch Microsoft experimentiert mit eigenen sozialen Netzwerken. Ein bisher geheimes Projekt namens "Socl" ist nun an die Öffentlichkeit gelangt.

Schweigt zu "Socl": Microsoft-Chef Steve Ballmer. Bild: reuters

Manchmal erscheint der mächtige Konzern Microsoft ganz wie sein oberster Boss Steve Ballmer. Massig, laut, aber immer etwas hinter der Zeit zurückgeblieben.

Ballmer ist keine der New-Economy-Größen, die den digitalen Lebensstil bis ins Privatleben perfekt verkörpern – nein, er notiert seine Gesprächsnotizen noch lieber auf Papier – und schafft es trotzdem mit seinem Konzern immer wieder solide Milliardengewinne einzufahren.

Und so wundert es nicht, dass Microsoft immer wieder verspätet zur Party eintrifft, wenn neue Märkte erobert werden. Das Internet hätte der Konzern fast verschlafen und leistete sich in den Neunziger Jahren dann einen milliardenschweren Kampf mit dem Emporkömmling Netscape.

Auch im lukrativen Computerspiele-Markt trat Microsoft verspätet ein und schaffte es mit seiner gigantischen Marktmacht und kreativen Kapazitäten die XBox zu einer der erfolgreichsten Spielekonsolen zu machen.

Von Tulalip zu Socl

Nun also Soziale Netzwerke. Während alle Welt darüber debattiert, ob Google mit seiner neuen Plattform nun den Emporkömmling Facebook besiegen konnte, hat Microsoft sein eigenes Projekt in der Schublade. Im Sommer waren erste Gerüchte bekannt geworden – damals hatte das Projekt noch den unaussprechlichen Namen Tulalip. Nun aber hat das US-Technikmagazin The Verge Screenshots zugespielt bekommen, die das Projekt unter dem Namen "Socl" – gesprochen wie "social" – zeigen sollen.

Auf den ersten Blick erscheint das Design nicht weiter bemerkenswert – ganz als ob die Microsoft-Programmierer Facebook als Schablone benutzt hätten. In der Mittel laufen die Kommentare aus dem digitalen Bekanntenkreis ein, es gibt Kommentare, man kann Beiträgte auch "liken". Oben gibt es ein Suchfeld und links kann man die Zusammenstellung der Beiträge beeinflussen.

Socl wirkt so als habe man einen Zwitter aus Facebook und dem Design des bald erscheinenden Windows 8 schaffen wollen. Und ein wenig Google+ ist auch dabei: So erinnert das Feature "Video Party", bei dem mehrere Nutzer offenbar gemeinsam Videos schauen können, doch sehr als Googles Videochatlösung "Hangout".

Ein richtiges Online-Netzwerk?

Ein paar Auffälligkeiten gibt es aber doch. So hat Microsoft der sozialen Suche offenbar großen Stellenwert eingeräumt. Hier kann der Nutzer sich offenbar komfortabel durch die Beiträge anderer User wühlen. Der Schritt würde Sinn machen: Schließlich versucht auch Google seine Suchergebnisse zu verbessern, indem es konsequent auswertet, was die Nutzer in sozialen Netzwerken empfehlen. So sollen die Treffer nicht nur auf die Suchanfrage angepasst, sondern ganz auf die Person maßgeschneidert werden.

Ein weiterer Punkt: Bei den ersten Experimenten war eine Möglichkeit zum Einloggen per Twitter oder Facebook-Account vorgesehen. Das könnte darauf schließen lassen, dass Microsoft nicht wirklich vorhat, ein eigenes soziales Netzwerk zu bauen. "Socl" könnte als Meta-Netzwerk geplant sein, in dem man auf die Beiträge in anderen Netzwerken zugreifen kann.

Ob sich Facebook eine solche Entmachtung gefallen lassen würde, ist jedoch mehr als fraglich. Immerhin könnte Microsoft ein gutes Argument bringen: wird "Socl" als ultimative Sozialapplikation in die nächste Version von Windows integriert, wäre der Nutzerzustrom für die bestehenden sozialen Netzwerke sicher interessant.

Ob es Microsoft wirklich ernst meint mit "Socl" steht allerdings in den Sternen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass solche Projekte bei IT-Konzernen wie Microsoft für die Schublade entwickelt werden. Nur wenige Experimente, die von den kreativen Entwicklern im Silicon Vallye erdacht werden, werden bis zur Marktreife gebracht, und noch viel weniger bestehen auf dem Markt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.