Solarenergie in der Hauptstadt: Senat bekommt nix aufs Dach

Die Solardachbörse des Senats ist ein Flop: Nach drei Jahren sind nur 12 von 129 öffentlichen Dächern vermietet. Sie sind oft nicht belastbar genug - und müssten kostspielig umgebaut werden.

Unbegrenzte Weiten, kein Baum, kein Strauch, der Schatten spendet - die Dächer der Berliner Schulen und Turnhallen sind ein Eldorado für Eigentümer von Solaranlagen. Theoretisch.

Praktisch hat der Senat vor drei Jahren 129 Dächer zur Vermietung ausgeschrieben und einen Marktplatz im Internet eingerichtet, doch lediglich 12 Dächer sind in der Zwischenzeit mit Solaranlagen bestückt worden. "Die Solardachbörse hat uns nichts gebracht", sagt Claudia Pirch-Masloch vom Solarverein Berlin-Brandenburg. Auch die zuständige Senatsverwaltung für Umwelt ist sich der mehr als mauen Bilanz durchaus bewusst. In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage räumte sie im Frühjahr "die Zurückhaltung von Investoren" ein.

Der Grund dafür ist nicht unbedingt Desinteresse. "Das Hauptproblem ist, dass die Dächer mit zu wenig Reserven erbaut sind", erläutert der Statiker Manfred Drach. Die Sparren, auf denen das Gewicht des Daches ruhe, seien nicht für große Belastungen ausgelegt. "Die Dächer älterer Häuser können maximal 15 Prozent zusätzlich zur eigenen Dachlast tragen." Eine Solaranlage wiege meist deutlich mehr.

Hinzu komme das Problem der Befestigung: "Das Einfachste ist, die Anlage mit Betonplatten zu beschweren", so Drach. Eine weitere Last, unter der die Dächer ächzen. Raffinierter, aber teurer ist es, die Anlage an ein Stahlgerüst zu schrauben, das quer von Wand zu Wand reicht. Kosten dafür: 3.000 Euro. "Das rechnet sich in den meisten Fällen aber nicht", sagt der Statiker.

Eine Anlage unter dem Himmel Berlins werfe frühestens nach 12 Jahren Gewinn ab, erläutert Ralf Haselhuhn von der Deutschen Gesellschaft für Solarenergie (DGS). Nach 20 Jahren könne man einen Reingewinn von 5.000 bis 8.000 Euro verbuchen - wenn alles "easy" laufe, also ohne Zusatzkosten für aufwändige Befestigungsanlagen, sagt Haselhuhn.

Als der Verein Solarenergie vor einem Jahr zwei Schulen in Friedrichshain-Kreuzberg von Statiker Drach untersuchen ließ, schwand der Enthusiasmus der Solarbürger deshalb schnell. Die Mitarbeiter der Bezirksverwaltungen, die die Dächer aussuchen, prüfen nämlich nur, ob die Lage sonnig und das Dach nicht zu stark geneigt ist. "Den Nachweis, dass es für die jeweiligen Module geeignet ist, müssen die Bewerber aber selbst erbringen", erläutert Nikolas Tosse, Sprecher der Senatsverwaltung für Umwelt. Das heißt: Die Interessenten müssen die Statik auf eigene Kosten prüfen lassen. Die 500 Euro, die der Verein dafür aufwandte, waren eine Fehlinvestition. Die anvisierten Dächer der Liebig- und der Lenau-Grundschule wären zu fragil, lautete das Ergebnis von Drach.

Bis ins Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg ist dieses Wissen noch nicht gelangt. Die Lenau-Grundschule wird weiterhin auf der Internet-Seite der Solardachbörse feilgeboten; der als Ansprechpartner angegebene Mitarbeiter der Schulverwaltung bekennt: "Von der Technik habe ich keine Ahnung. Das müssen wohl alles die Vereine bezahlen." Eine Nachfrage im Hochbauamt endet gleichfalls unergiebig: Grundsätzlich seien alle Dächer geeignet. Dabei hat die DGS dem Senat schon vor drei Jahren zu bedenken gegeben, dass nicht jedes Sonnendach mit entsprechenden Anlagen kompatibel ist: "Wir haben auf die Probleme hingewiesen", sagt DGS-Mitarbeiterin Claudia Hämmerle.

Aber vielleicht bekommt das Land doch noch ohne eigene Anstrengungen Solaranlagen auf die Dächer gestellt: Im Juli hat die Firma 30°Solar gleich 24 Dächer im Paket gemietet; sie will dort bis Jahresende Solaranlagen aufbauen. Die Statik habe man bereits geprüft, sagt der zweite Geschäftsführer Thomas Simeon. Allerdings seien die 800.000 Euro Eigenkapital noch nicht eingeworben. "Wir sind mit Investoren im Gespräch." Feste Zusagen habe man aber noch nicht.

Für den energiepolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion, Michael Schäfer, ist der mögliche Großinvestor aber noch kein Grund zum Jubeln: "Hunderte wären nötig. Wo der Klimawandel ein Umsteuern auf ganzer Fläche nötig macht, begnügt der Senat sich mit Modellprojekten."

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