Soli-Konzertgala für Deniz Yücel: Den Lärmpegel oben halten

Unter dem Motto „Auf die Presse!“ organisierten Freunde des in der Türkei inhaftierten „Welt“-Korrespondenten ein Event am Brandenburger Tor.

Bühne vor dem Brandenburger Tor in Berlin

Mit Popmusik gegen die Inhaftierung: Konzert für Deniz am Tag der Pressefreiheit in Berlin Foto: dpa

BERLIN taz | Über den Musikgeschmack des türkischen Präsidenten ist nicht besonders viel bekannt. Aber vermutlich ist er auch bei dieser Sache anderer Meinung als Deniz Yücel, der sich sehr wohl für Musik interessiert und der es als berüchtigter Gelegenheits-Party-DJ gerne mal ähnlich krachen lässt wie in seinen Texten.

Yücel, der nun seit über 60 Tagen im türkischen Knast schmort, inzwischen gar in Isolationshaft wegen grotesker Spionagevorwürfe, wäre sicherlich alleine schon wegen des musikalischen Programms selbst gerne zu der großen Konzertgala gegangen, die aus Solidarität mit ihm und letztlich allen politisch motiviert verhafteten Journalisten auf der ganzen Welt am „Tag der Pressefreiheit“ direkt vor dem Brandenburger Tor abgehalten wurde.

Da traten schließlich nicht bloß wahllos ausgesuchte Bands mit vagem Sinn für politisches Engagement auf – dafür hätte man auch die Toten Hosen laden können –, sondern durchaus auch persönliche Lieblinge des Türkeikorrespondenten der Welt. Zum Beispiel ist Yücel bedingungsloser Fan von PeterLicht.

Die Initiative „Freundeskreis #Free Deniz“ hat die Veranstaltung an diesem symbolträchtigen Ort im Herzen Berlins auf die Beine gestellt. Eine Allianz aus Jungle World, taz und Springerpresse trat als offizieller Unterstützer an, was freilich nicht bedeuten sollte, dass der Fall Deniz Yücel jetzt auch noch sämtliche Gräben innerhalb der deutschen Presselandschaft zuschütten würde. Der Freitag, Jakob Augsteins linke Wochenzeitung, war zumindest nach Meinung des Comedians Oliver Polak, der als einer von vielen Rednern die Bühne betrat, ausdrücklich nicht erwünscht. Dessen Positionen zu Israel findet Polak schließlich ähnlich verdammenswert wie Deniz Yücel auch.

Lieber laut sein als Stillhalten

Man kann nun viel diskutieren und auch meckern über so eine Veranstaltung. Bringt das alles wirklich was oder erhöht man mit dem eigenen Engagement nur immer weiter den Wert des Gefangenen Yücel für Erdogan, der bereits öffentlich verkündigen ließ, dass er diesen, so lange er an der Macht ist, sowieso nicht freilassen werde? Andererseits: Was ist die Alternative? Stillhalten und auf Einsicht beim türkischen Sultan hoffen?

Die Unterstützer von Deniz Yücel haben sich jedenfalls dafür entschieden, laut zu sein. Und Yücel selbst ließ aus dem Knast immerhin verlauten, dass ihm die anhaltende Solidaritätswelle im einsamen Knastalltag gut tue. Zuerst wurde also beim Autokorso kräftig auf die Hupen gedrückt und jetzt: mit Popmusik gegen die Inhaftierung von Deniz Yücel. Danach kommt der entweder endlich frei oder man denkt sich sicherlich etwas Weiteres aus, das den Lärmpegel oben hält.

„Hauptsache raus!“

Die Bands selbst hielten sich mit ihren politischen Botschaften während ihrer Konzerte weitgehend zurück, für Reden waren andere da. Die Sterne, The Notwist, Andreas Dorau und Band, sie spielten alle kurze Sets und dazwischen meldeten sich Prominente von Oliver Welke bis Sybille Berg per Videobotschaft zu Wort, hielten auf der Bühne engagierte Reden wie Carolin Emcke, kasperten launig herum und fanden doch gleichzeitig auch deutliche Worte gegen Erdogan wie die Schauspielerin Pegah Ferydoni.

Einen potenziellen Slogan für die Rückseite des „#Free Deniz“-T-Shirts, das natürlich vielfach auf dem Mini-Festival getragen wurde, erfand die Berliner Sängerin Christiane Rösinger so ganz nebenbei: „Hauptsache raus!“ rief sie in Richtung Istanbuler Knast. Und man kann sie nur zitieren: Deniz, die Hauptsache ist, Du kommst da bald raus.

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