Solidaritätsbekundung für Deniz Yücel: Kein Aufruf ohne Unterschrift

Deutsche Zeitungen haben eine ganzseitige Forderung nach Freiheit für gefangene Journalisten in der Türkei veröffentlicht – die FAZ nicht.

Der FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube spricht in ein Mikrofon

Laut Jürgen Kaube sollen Journalisten schreiben, nicht unterschreiben Foto: Heinrich-Böll-Stiftung / Wikipedia (CC 2.0)

„Deniz’e Özgürlük! Freiheit für Deniz!“ las man nicht nur in der taz, sondern auch in etlichen anderen deutschen Zeitungen: Mehr als 300 Unterschriften von Autoren und Künstlern zieren den ganzseitigen Aufruf. Sie fordern die Freiheit von Information und Meinung und selbstredend die Freilassung des inhaftierten Welt-Journalisten Deniz Yücel respektive aller Journalisten in türkischen Gefängnissen. Neben der Namensliste prangt Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen: „Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung“.

Von diesem Recht hat auch FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube Gebrauch gemacht. In einem Kommentar auf der Titelseite der Mittwochsausgabe erläutert er, warum besagte Anzeige in seinem Blatt nicht erschienen ist: Die Initiatoren hätten keinen einzigen FAZ-Mitarbeiter nach einem Autogramm gefragt.

Zwar habe eine Redakteurin der Süddeutschen Zeitung die Anzeigenabteilung telefonisch um einen Abdruck gebeten. Sie habe allerdings behauptet, zu den Unterzeichnern gehöre auch ein Herausgeber der FAZ. Der wusste davon aber nichts. Daraus folgert Kaube, dass jemand, der „ernsthaft gewollt hätte, dass Journalisten dieser Zeitung per Unterschrift das Selbstverständliche bekräftigen“, anders vorgegangen wäre, dies daher „gar nicht gewollt war“. Kaube unterstellt also Absicht. Man habe die FAZ-Schreiber ausgeschlossen.

Eine These, die von Kühnheit zeugt. Wer Deniz Yücel befreien wolle, der spiele „keine Spielchen“, schreibt Kaube. Die Gegenseite widerspricht freilich und verweist darauf, dass sich immerhin einige Autoren der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung eingetragen hätten. Schließlich ließ die FAZ den ungefragt in die Unterzeichnerliste aufgenommenen Namen auch noch entfernen.

Die ganze Absurdität in der Zusammenfassung: Man hätte an der Solidaritätsbekundung wohl teilgenommen, wäre man gefragt worden, ob man den eigenen Kaiser Wilhelm darunter setzen möchte, der fälschlicherweise bereits in der Liste stand, aus der man ihn wiederum streichen und den Appell am Ende gar nicht drucken ließ.

„Keine Unterschreiber“

Ob Kaube eingeschnappt ist oder – wegen des Fehlens einer Anzeige – einfach noch überschüssiger Platz für einen Kommentar vorhanden war, sei dahingestellt. Fragwürdig ist indes, dass er sich zu folgender Aussage hinreißen ließ: „Journalisten sind Schreiber, nicht Unterschreiber“ – um seine Ausführungen nicht bloß nach einem gekränkten „Uns hat ja keiner gefragt“ klingen zu lassen.

Klar: Wichtiger als signierte Aufrufe sind Berichterstattung und Kritik. Die kann man der FAZ nicht absprechen; auch, wenn ihr das im Fall um Deniz Yücel mal besser gelingt und mal Michael Martens schreibt. Aber warum sollte man deshalb auf eine Unterschriftenaktion verzichten? Besser: Schreiben und unterschreiben.

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