Songs für Kinder und Erwachsene: Tiere sind nie online

Café Unterzucker aus München singt in breitem Bayrisch für die humorbegabte Familie. Beteiligt ist Micha Acher von The Notwist.

Vier Musiker mit Eis am Stil

Schlechtgelaunt ist das neue gutgelaunt: Cafe Unterzucker. Foto: La Van Phuong/Promo

Das Café Unterzucker, Institut für ungesüßte Kinderkultur und unversäuerten Erwachsenenschmarrn, hat wieder was zusammengebraut. „Bitte, Mammi, hol mich ab!“ soll „Liedgut für die humorbegabte Familie“ sein und ist nach „Leiser! Kindische Lieder aus der Nachbarschaft“ das zweite Konzeptalbum der Münchner Band.Waren auf dem Debüt noch nachbarliches Wohl und Wehe die Hauptzutaten, bilden nun „kindische Urlaubs-, Sommer- und Freiheitslieder“ das Grundrezept.

Musikalisch wird man auf eine Weltreise mitgenommen, der Anker hängt dabei immer ganz klar in Bayern, und, um nochmals ein kulinarisches Bild zu bemühen, man steht in einer bestens ausgestatteten Fusion-Küche. Für „Autogrill“ vermengt der Multiinstrumentalist und musikalische Leiter von Café Unterzucker, Tobias Weber, klezmerdurchdrungene Balkanrhythmen und jazzigen Bluegrass, gewürzt mit einer treibenden Festtagstuba.

Micha Acher, tätig in Bands wie The Notwist oder den New Orleans Dixie Stompers, verbreitet mit wohlgesetztem Tubabeat das Gefühl der freudig-entnervten Unruhe, die einen in endlosen Staus auf dem Weg in den Süden überkommt: „Wann samma do, wann samma denn do.“

Am stimmigsten fühlen sich die Lieder an, die im breiten Bayrisch gesungen werden. Das mag auch daran liegen, dass das bayerische Idiom für die Benennung des alltäglichen Wahnsinns mit anarchischer Schlagseite besonders geeignet scheint. Richard Oehmann, der hauptberuflich Intendant vom wundervollen „Doctor Döblingers geschmackvollen Kasperltheater“ ist, befasst sich in seinen Texten eher nicht mit üblichem Urlaubsvergnügen, sondern besingt, wie in „Sonnenbrand“, entspannt rock ’n’ rollend seine krustigen Seiten.

Krakeelen wie ein Hooligan

Auch die angekündigten Freiheitslieder entziehen sich ihrer üblichen Stoßrichtung. In „Endlich! Die Ferien sind vorbei“ ist das Dolce far niente eher eine Bürde: „Wer ständig frei hat, ach, der muss sich dauernd selbst entscheiden.“ Politisch wird es im „Freiheitslied“. Während der Chorleiter ein Lied über die edle Freiheit des sonnigen Gemüts anstimmen möchte, fallen seinem Gesangsverein nur die renitenten Freuden der Freiheit ein. „Wenn ich manchmal freundlich winke, joggen gehe, nackt, und stinke … wenn ich dann aus voller Seele wie ein Hooligan krakeele, geht das niemand etwas an.“

Das Album: "Bitte, Mammi, hol mich ab!" (Trikont/Indigo)

Das ist das Päckchen, das die Demokratie tragen muss, Pegida lässt grüßen. Sehr erbaulich ist die Darstellung der veränderten Verhaltensweisen und Wahrnehmungen im Medienzeitalter: Wenn zum Beispiel Chorleiter Gruber im Intro zu „Nur der Mensch“ nach dem Unterschied zwischen Mensch und Tier fragt, und die Sangesbrüder als Distinktionsmerkmale nur feststellen können, dass Tiere nie online sind und sie keine Anbieter haben. Das Lied selbst ist eine kauzige Wandervogel-Moritat, die sich textlich von Strophe zu Strophe in immer absurdere Tier-Mensch-Vergleiche emporjuckelt.

Den arg betulich geratenen Chorleiter Gruber, der für ein etwas klischiertes Bild vom verklemmt-lebensfremden Sänger herhalten muss, hätte man sich nach „Leiser!“ witziger erhofft, und mitunter gerät das Spiel mit dem Klischee zum Bumerang.

Denn der versnobte Junge im Titelsong „Bitte, Mammi, hol mich ab“ wird kaum selbst von „Designerkoffern“ und „Markengummistiefeln“ sprechen, da die zu ihm gehören wie der Dreck unter seinen Zehennägeln. Diese Sicht nehmen nur Außenstehende ein, die gewählte Perspektive erscheint unpassend und der eigentlich schmissig im Bayern-Hillbilly-Style pulsierende Song wird ein wenig ärgerlich.

Die Zerhäckselung eines unangenehmen Zeitgenossen klappt im jazz-’n’-rollenden „Der Krapfen“ dafür umso besser. Meinungsmächtig, aber dennoch vornehm zurückhaltend stellt Jazz-Sängerin Anna Herrmann die Defizite am Objekt der Begierde fest: „Schade, du bist ein Krapfen ohne Marmelade.“

Ein schöner Stomper ist die Coverversion von „Felicita“ geworden: „Gluckseligkeit“. Eine scheppernde Snaredrum wird von einem gniedelnden Banjo befeuert, Jimi Tero von Doctor Döblingers geschmackvollem Kasperltheater gibt den Italo-Lover mit Genuss: „Wenn ich seh deine Nase, ist erst Ekstase, dann: Gluckseligkeit“, während die Komödiantin und Schauspielerin Maria Hafner den italo-bayrischen Widerpart leistet: „Beim Telefonare spür i die wahre Glückseligkeit“.

Keine Frage, im Café Unterzucker geht es jetzt erwachsener zu. Während den Alten die ganze Torte gut bekommt, schmeckt den Jungen auf jeden Fall der Guss.

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