Soziale Einrichtungen in Bremerhaven: Schicksalstag für die Diakonie

Die Landeskirche in Hannover entscheidet am Dienstag, ob sie die Bremerhavener Diakonie mit einem Kredit sanieren hilft – oder zur Insolvenzberatung schickt.

Der Diakonie in Bremerhaven braucht mehr als ein bisschen Kleingeld Foto: Arno Burgi/ dpa

BREMEN taz | Für das angeschlagene Diakonische Werk Bremerhaven und seine rund 400 MitarbeiterInnen steht viel auf dem Spiel: Die zuständige Landeskirche in Hannover will am Dienstagmittag verkünden, ob sie zu der Sanierung des Werkes beiträgt. Es geht um Zuschüsse, womöglich einen Kredit in Höhe von 250.000 Euro. Ohne das Geld droht der Diakonie die Insolvenz. Betroffen wären nicht nur die vier Kindertagesstätten mit insgesamt 300 Plätzen, sondern auch andere Einrichtungen: Die Diakonie ist das Sozialwerk der evangelischen Kirche. Sie betreibt in Bremerhaven unter anderem Pflegeeinrichtungen, eine Straffälligen-Hilfe, Beratungsangebote für Opfer häuslicher Gewalt oder eine Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Die Unterstützung der Landeskirche ist Teil eines Sanierungspfades, den die Gewerkschaft Ver.di mit der Geschäftsführung des Werkes im Rahmen eines Notlagentarif-Vertrages ausgehandelt hat. Die Beschäftigen verzichten auf insgesamt über drei Millionen Euro an Lohn, der Magistrat der Stadt hat zugesagt, bei den Kindergärten von der Diakonie statt 4,5 nur ein Prozent Eigenanteil einzutreiben. Den müssen kirchliche Kita-Träger laut Bremer Kita-Gesetz grundsätzlich bestreiten, wenn sie selbst Steuereinnahmen haben. Laut Bremerhavens Sozialdezernent Klaus Rosche (SPD) zahlte die Diakonie von etwa 2,7 Millionen Euro Gesamtkosten für ihre Tagesstätten bislang einen Eigenanteil in Höhe von 121.000 Euro.

Jörn Bracker, Ver.di Bremen

„Ich gehe davon aus, dass mit dem Sanierungspfad, wenn er denn umgesetzt würde, ein tragfähiges Konzept erarbeitet worden ist“

Sönke Allers, Fraktionsvorsitzender der SPD in Bremerhavens Stadtverordnetenversammlung sagt es sehr deutlich: Man könnte nicht verlangen, dass die Stadt allein einspringe. Auch die Diakonie sei in der Verantwortung.

Anfang Juni hatte die Diakonie verkündet, dass die Kindergärten kurz vor der Insolvenz stünden. Die Krise allerdings betrifft alle Betriebsbereiche. Sozialdezernent Rosche kritisierte die Diakonie bereits im Juni für eine „kostenintensive Verwaltung“ und eine unverhältnismäßig starke Belastung ihrer Kindertagesstättenbereichs mit Allgemeinkosten. Nach taz-Informationen soll die Diakonie in Bremerhaven über Jahre etwa Kostensätze mit Krankenkassen nicht neu verhandelt haben.

Beschäftigte verzichten auf drei Millionen Euro Lohn

Bei dem nun mit Ver.di ausgehandelten Notlagen-Tarifertrag sollen die Beschäftigten nun wohl auf etwa fünf Prozent ihres Lohnes verzichten, sowie auf das 13. Monatsgehalt – insgesamt rund 3,2 Millionen Euro. Ab 2019 würde dann wieder der normale Tarif gezahlt. Dafür erhalten sie vor allem Sicherheit: Betriebsbedingte Kündigungen sollen bis 2020 ausgeschlossen sein, bis 2021 ebenso Ausgliederungen von Betriebsteilen. Aus Immobilienverkäufen würden 50 Prozent des Netto-Erlöses an die Beschäftigten gehen, zudem erhalten sie einen Sitzt im Aufsichtsrat. Auch ein Zukunftssicherungs-Ausschuss soll einsetzt werden.

Nicht auf Lohn verzichten müssten die 65 Beschäftigten aus den Kindertagesstätten: Denn Zuwendungen der Stadt berechnen sich nach den tatsächlich bezahlten Personalkosten. Alles Geld, was durch einen Lohnverzicht gespart würde, müsste die Stadt einbehalten.

Dass Ver.di bei den Verhandlungen überhaupt mit am Tisch saß, liegt an dem Flächentarifvertrag, den die Gewerkschaft und die Diakonie in Niedersachsen im September 2014 für die insgesamt rund 37.000 ArbeitnehmerInnen der Diakonie unterzeichnet haben. In dieser Größe ist er der erste seiner Art, erklärte Jörn Bracker, Gewerkschaftssekretär von Ver.di in Bremen.

Dadurch habe die Gewerkschaft mit der Diakonie-Geschäftsführung auf Augenhöhe verhandeln können. Bracker zeigte sich nun zuversichtlich: „Ich gehe davon aus, dass mit dem Sanierungspfad, wenn er denn umgesetzt würde, ein tragfähiges Konzept erarbeitet worden ist.“ Bei dem Teil, den die Landeskirche beitragen soll, gehe es um eine eher niedrige Summe im Vergleich zu den Millionen, auf die die Beschäftigten verzichten.

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