Sozialleistungen: Kein Hartz IV für Selbstständige

Prekäre Kleinunternehmer sollen künftig keine Sozialleistungen mehr bekommen. Das schlägt die Bundesagentur für Arbeit vor.

Süße Versuchung für Kleinunternehmer: Mit Hartz IV das Gehalt aufbessern. Bild: dapd

BERLIN taz | Selbstständige, die von ihrem Verdienst nicht leben können und daher zusätzlich Hartz IV beziehen, sollen künftig keine Sozialleistungen mehr erhalten. Das fordert Frank Weise, Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA). Es gebe „Überlegungen, die Regelungen für den Umgang mit sogenannten Aufstockern nachzubessern“, sagte Weise der Nachrichtenagentur dpa: „Da sind einige Fehlentwicklungen erkennbar.“

In Deutschland gibt es 4,4 Millionen Selbstständige. Unter ihnen sind viele sogenannte Soloselbstständige wie BlumenhändlerInnen, mobile MasseurInnen und FerienwohnungsbetreiberInnen. Aber auch AnwältInnen und UnternehmerInnen mit Angestellten sollen laut BA regelmäßig im Jobcenter entsprechende Anträge stellen.

Manche bestehen als sogenannte Kümmerexistenzen: 127.000 von ihnen bekamen nach BA-Angaben 2012 zum selbst erwirtschafteten Einkommen zusätzlich Hartz IV. 2007 waren es noch 50.000. Und jede und jeder vierte von den derzeit 127.000 Betroffenen soll es auf einen monatlichen Gewinn von nur 100 bis 200 Euro bringen, hatte das zur BA gehörende Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Anfang Dezember bekannt gegeben.

„Wir haben bei manchen Selbstständigen mit Hartz-IV-Bezug den Eindruck, dass der Bezug der Grundsicherung zum Geschäftsmodell gehört“, sagte Weise. Ein Teil des Einkommens werde selbst erwirtschaftet, der andere Teil werde mithilfe der staatlichen Grundsicherung abgedeckt – auf längere Zeit. „Das kann nicht sein“, so Weise.

Selbstständige „theoretisch hilfsbedürftig“

Schon länger diskutiert man in den Jobcentern dieses Phänomen. BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt sagte im Sommer vor einem Jahr, dass Selbstständige „theoretisch ihr Einkommen so gestalten“ könnten, „dass sie in der Hilfebedürftigkeit bleiben“. Es gab damals aber keine konkreten Daten, wie viele KleinunternehmerInnen das tatsächlich taten.

Wie kommt es dazu, dass jemand sich selbstständig macht, obwohl er nicht davon leben kann? Um ein Unternehmen zu gründen, muss ein Businessplan vorgelegt werden, der von WirtschaftsprüferInnen oder UnternehmensberaterInnen auf Realitätstauglichkeit überprüft wird. „Das ist ein großes Problem“, sagte ein BA-Sprecher auf taz-Nachfrage: „Was sollen wir tun, wenn uns ein Wirtschaftsplan vorliegt, der als positiv bewertet wird?“

Weises Idee ist daher, dass FallbetreuerInnen in den Jobcentern künftig aufstockende Selbstständige und ihr Geschäftsmodell stärker überprüfen. Sollte das zu kompliziert sein, sollen externe BeraterInnen hinzugezogen werden. Unklar ist nach Aussage des BA-Sprechers derzeit, ab welcher Einkommenshöhe die geplanten Restriktionen greifen sollen.

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