Space-Age-Musiker Adi Gelbart: Sein eigener Kosmonautentraum

Huldigung an die Überlegenheit der Computer: das wunderbare Klanguniversum des israelischen D.i.y.-Künstlers Adi Gelbart.

Ein Mann mit Brille und Glatze an elektronischen Instrumenten

Der Musiker Adi Gelbart beim Zwitschern Foto: Noam Chojno

Nein, das schnöde Hier und Jetzt ist die Sache des israelischen Musikers Adi Gelbart nicht. Er schafft sich stattdessen einen eigenen, in jeder Hinsicht zukunftsweisenden Kosmos. Das zeigt das neue Album des in Berlin lebenden Klangtüftlers, der Jazz, Klassik und New Wave-Bands wie Yello gleichermaßen als Einflüsse nennt: „Preemptive Musical Offerings To Satisfy Our Future Masters“ heißt es, übersetzt also in etwa: „Präventive Musikangebote, um unsere zukünftigen Herrscher zufriedenzustellen“.

Beim Gespräch erklärt Adi Gelbart, was hinter dem Titel steckt: „Die Herrscher von morgen sind Computer. In 20 Jahren werden sie klüger sein als wir. Und uns wahrscheinlich töten oder aber Wege finden, uns für etwas zu benutzen“, sagt der 1975 geborene Künstler, der in Tel Aviv aufgewachsen ist.

Vielleicht nicht die schlimmste Dystopie, denn den gegenwärtigen Zustand auf Erden hätten nur dumme Kreaturen wie unsereiner erschaffen können. „In gewisser Weise verbirgt sich dahinter ein trauriger Witz. Aber deshalb mag ich Science-Fiction: Weil irgendwo Wesen leben, die klüger sind als wir. Diesen Wesen widme ich meine Musik.“

Der spezielle Humor und seine Philosophie – zum Beispiel, das Dasein der menschlichen Spezies als Unfallserie und das Weltgeschehen als eine Reihe schlechter Witze zu verstehen – sind der Schlüssel, um das Werk des Underground-Musikers Gelbart zu verstehen. Hinter diesen Ansichten verbirgt sich aber keineswegs ein Zyniker oder Defätist; im Gegenteil, Gelbart erkennt im eigenen kreativen Schaffen den hauptsächlichen Daseinsgrund: „Unser Vorstellungsvermögen und die Fähigkeit, aus nichts etwas zu kreieren, ist das größte Geschenk“, sagt er.

Gelbart: „Preemptive Musical Offerings to Satisfy Our Future Masters“ (Gagarin Records/A-Musik). Live: 7. Mai, Berlin, Urban Spree, im Rahmen der „Pictoplasma“

Kein Wunder, dass er in Do-it-yourself-Tradition zum Allroundkünstler wurde. Neben der Musik dreht er Filme – für seinen Kurzfilm „Vermin“ schuf er Aliens aus Gemüse –, entwirft T-Shirts und schreibt an einem Buch. „D.i.y. ist das wunderbarste Konzept in meinem Leben“, sagt der Künstler.

Er spielt alles im Alleingang ein

Als Neunjähriger begann Adi Gelbart, mit einem Freund auf der Orgel Musik zu machen, in der Schule hatte er erste Bands. Wenn man so will, ist er mit einem familiären Dreiklang aufgewachsen: Die Mutter war klassische Pianistin, der Vater mochte Jazz und sein älterer Bruder zeigte ihm Indiebands wie Bauhaus oder die Pixies. Gelbart selbst eignete sich nach und nach autodidaktisch eine Reihe von Instrumenten an – bis heute wären das: Gitarre, Klavier, Saxofon. Für seine Alben spielt er alles im Alleingang ein.

Auf dem neuesten Album hört man eine Vorliebe deutlich: Library Music, also jene Aufnahmen, die vor allem als Stock für Filmproduktionen genutzt werden. Zum Teil meint man, da klinge der Sound von Agententhrillern, Detektiv- oder Zeichentrickserien an – allerdings in abgedrehter Lo-Fi-Version. Synthies und Saxofon sind die dominanten Instrumente, der Rhythmus hat oft etwas Unruhiges, Getriebenes.

Bis er 30 war, lebte Gelbart in Tel Aviv, das ihm aber mehr und mehr „wie eine große WG“ vorkam – ständig habe er Bekannte auf der Straße getroffen. Also zog er 2005 in die deutsche Hauptstadt und wurde überzeugter Berliner: „Als ich herkam, habe ich es so genossen: Ich konnte tun und lassen, was ich wollte, niemand interessierte sich für mich!“

Durch den elektronischen Fleischwolf

In den vergangenen zwei Dekaden hat Gelbart rund 20 EPs und Alben veröffentlicht. Als „The Lonesomes“ spielte er den abgespacetesten Country der Welt („Cow-Fi“), als „AKA Gelbart“ drehte er das Beatles-Debütalbum „Please Please Me“ durch den elektronischen Fleischwolf, als Gelbart schrieb er auch indiemäßigere Stücke. Neue Kunstgattungen zu entdecken, mit ihnen zu spielen, sie zu dekonstruieren: All das ist ihm wichtige Motivation.

Kommerzielle Interessen stehen dabei hintenan. „Für mich ist es okay, einen anderen Job zu haben, um davon zu leben.“ Er tut dies als selbstständiger Programmierer. So müsse er sich künstlerisch immerhin an niemanden anbiedern: „Wenn Leute auf meine Musik stoßen, gut. Wenn nicht, auch gut.“

Dass Gelbart seine Alben zuletzt auf Gagarin Records veröffentlicht, passt dabei bestens ins Bild. Auch der Hamburger Musiker und Labelbetreiber Felix Kubin steht für experimentelle retroeske Synthiemusik, beide haben eine ähnliche musikalische Biografie. Einen Weltraumpionier im Labelnamen: Auch das dürfte Adi Gelbart gefallen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.