Sparen an der Gesundheit: Unzureichende Betreuung von Suizidpatienten?

Assistenzärzte der Göttinger Asklepios Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie bemängeln in einem offenen Brief die dortige Patientenbetreuung.

Die Göttinger Assistenzärzte bleiben lieber unerkannt. Bild: dpa

Im Göttinger Asklepios Fachkrankenhauses für Psychiatrie und Psychotherapie werden laut den dortigen Assistenzärzten Patienten unzureichend betreut. Das geht aus einem offenen Brief hervor, den Assistenzärzte der Klinik geschrieben haben. Die Klinik gehört seit 2007 zu dem Klinikunternehmen Asklepios und ist von der Gewerkschaft Ver.di und verschiedenen Lokalpolitikern in den letzten Wochen bereits mehrfach wegen angeblicher Kürzungen bei Personal und Therapien kritisiert worden.

Die Assistenzärzte schreiben, dass vor allem Kürzungen beim pflegerischen und ärztlichen Personal die Gesundheit der Patienten bedrohten. So würden selbstmordgefährdete Patienten teilweise unzureichend beaufsichtigt, obwohl sie nach Einschätzung des Personals einzeln betreut werden müssten. Das sei „aber aufgrund von Personalmangel nicht realisierbar“, heißt es in dem Schreiben. Daneben gebe es auch weniger drastische Auswirkungen, sagt ein Arzt, der anonym bleiben will: „Ich mache unglaublich viele Überstunden. Unter solchen Arbeitsbedingungen ist eine vernünftige therapeutische Beziehung zum Patienten nicht möglich.“

Asklepios widerspricht

Die Asklepios Kliniken GmbH wurde 1984 von Bernard große Broermann und Lutz Mario Helmig gegründet. Helmig verkaufte seinen Anteil 1994 an Fresenius.

Nach eigenen Angaben im aktuellen Geschäftsbericht basiert das Geschäftsmodell von Asklepios auf der Übernahme öffentlicher Krankenhäuser, die oft defizitär arbeiten, und deren "Weiterentwicklung zu erfolgreichen Gesundheitseinrichtungen".

Der Konzern machte im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund drei Milliarden Euro. Er gehört damit zu den drei führenden privaten Klinikbetreibern in Deutschland und beschäftigt 45.390 Angestellte an 150 Standorten.

Betrieben werden vor allem Kliniken für Psychiatrie und Somatik aber auch Rehakliniken und Pflegeeinrichtungen. JEP

Asklepios-Sprecher Rudi Schmidt widerspricht den Anwürfen der Göttinger Assistenzärzte: Seit der Konzern die Klinik im Jahr 2007 von der Landesregierung gekauft hat, seien „mehr als zehn Prozent ärztliche Stellen aufgebaut“ worden. In den Jahren 2010, 2011 und 2012 seien die Personalzahlen im pflegerischen Dienst nicht gesenkt worden. Außerdem habe man seit 2007 über elf Prozent mehr Vollzeitstellen. Zur Gefährdung von selbstmordgefährdeten Patienten sagt Schmidt: „Allein im vergangenen Jahr wurden mehrere tausend Stunden und Sitzwachen bei suizidalen Patienten geleistet.“

Die Kritik an Asklepios ist nicht neu. Seit Wochen äußern sich verschiedene Lokalpolitiker und die Gewerkschaft Ver.di ähnlich. Julia Niekamp ist bei Ver.di für die Göttinger Klinik zuständig. Sie spricht davon, dass Beschäftigte von einem „Rückschritt in die Verwahrpsychiatrie“ gewarnt hätten. Asklepios habe seit 2007 zwar mehr Leute eingestellt, meint Niekamp. Dadurch sei aber lediglich die Gesamtzahl der Beschäftigten gestiegen. „Es gibt nicht mehr Vollzeitstellen und zudem weniger Fachkräfte“, so Niekamp.

Außerdem betreue die Klinik seit der Privatisierung mehr Patienten als zuvor. Insgesamt müssten die einzelnen Mitarbeiter also mehr arbeiten. Die Assistenzärzte schreiben, dass sie im vergangenen Monat deswegen 15 sogenannte Überlastungsanzeigen eingereicht hätten, also ihre Überforderung der Klinikleitung gegenüber deutlich gemacht hätten. Allerdings: „Die Reaktion der Geschäftsführung reduzierte sich darauf, ihre Richtigkeit anzuzweifeln.“

Das Thema ist unterdessen im Göttinger Kreistag angekommen. Dort wird am Mittwoch über Anträge von Grünen und SPD sowie der Linken beraten. Alle drei Parteien fordern von der Landesregierung, dass sie die Verträge offenlegt, die 2007 zum Verkauf der Klinik geführt hatten. Sie interessieren sich für Klauseln, die einen möglichen Rückkauf der Klinik durch das Land erlaubten.

„Es war ein eklatanter Fehler, die Klinik überhaupt zu privatisieren“, sagt Ronald Schminke, der für die SPD sowohl im Göttinger Kreistag als auch im Niedersächsischen Landtag sitzt. „Die Privaten müssen Gewinn machen und das geht am besten an der Stellschraube Personal“, sagt Schminke. Er selbst hat mit dem Betriebsrat der Klinik gesprochen. „Was man da hört, das klingt alles nicht gut“, sagt er. „Wenn das so stimmt, dann muss das zurückgedreht werden, damit die Klinik wieder in Landeshand kommt.“

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Rat der Stadt, Rolf Becker, sagt mit Blick auf Asklepios: „Eine psychiatrische Klinik sollte kein Objekt sein, mit dem man Geld verdienen muss.“ Beckers Fraktion wird zusammen mit SPD, Grünen, Linken und Piraten am Freitag einen Antrag im Rat der Stadt stellen, der fast wortgleich zu den Anträgen im Kreistag ist. Er dämpft aber die Erwartungen: „Letztlich bleibt der Kommunalpolitik nichts weiter übrig, als die Landesregierung zum Handeln aufzufordern.“

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