„Sparkle Hard“ von Stephen Malkmus: Männer sind Schweine

Auf seiner neuen Platte klingt die US-Indie-Legende gegenwärtig wie lange nicht. Ist das eine Spätwirkung seiner Jahre in Berlin?

Stephen Malkmus singt ins Mikro

Manche Songs auf dem neuen Album „Sparkle Hard“ erweisen sich als Wundertüte Foto: imago/Future Image

„Am Anfang war es eher seltsam, zurück zu sein“, sagt ­Stephen Malkmus. An die USA musste er sich nach seinen Jahren in Berlin erst wieder gewöhnen. „Als wohne man neben einer übelriechenden Fabrik – und nach einer Weile bemerkt man den Gestank nicht mehr.“

Malkmus, der mit seinen 52 Jahren immer noch ein schlaksiger Hüne ist, gluckst mit verzogenen Mundwinkeln. Einstmals Vorturner der ikonischen Neunziger-Indie-Band Pavement aus Kalifornien, ist er seit 2001 mit drei Mitstreitern unterwegs, die sich The Jicks nennen.

Im Interview waren wir gerade bei der Frage angekommen, ob vielleicht die Rückkehr nach Portland, Oregon, seiner Musik eine Frischzellenkur verpasst hatte. Immerhin klang er schon immer auf eine punkige Art sehr nach Westküste. Im neue Album „Sparkle Hard“ steckt jedenfalls alles, was Malkmus früher ausmachte. Und noch einiges mehr: „Sparkle Hard“ ist frisch, komplex und unangestrengt.

Im Vergleich erscheint der eigentlich auch gute Vorgänger „Wig Out At Jackbags“ von 2014 nur noch okay, ein wenig uninspiriert. Jenes Album hatte er am Ende seiner in Berlin verbrachten Jahre veröffentlicht. Seit 2011 hatte Malkmus hier gelebt und sich auch in anderen Klangwelten ausprobiert, etwa als er mit der Kölner Band Von Spar das Psych-Kraut-Album „Ege Bamyasi“ von Can coverte.

Zwischen neu und vertraut

„Vielleicht wären tatsächlich ganz neue Einflüsse in meine Songs eingesickert, wenn wir in Deutschland geblieben wären – etwa, weil ich in Berlin öfters in Clubs gegangen bin“, sagt Malkmus. „In meinem Kellerstudio experimentiere ich mit solchen Sachen herum. Ich habe das bisher nicht veröffentlicht – weil ich nicht weiß, wie gut es ist, und ob der richtige Moment dafür ist.“ Sorgen, dass er fern der Heimat dem ihm eigenen Zugang zur Musik verliert, hätte er sich jedenfalls nicht gemacht: „Das Westcoast-mäßige steckt tief in mir.“

Dass Malkmus auf dem neue Album so gegenwärtig klingt wie lange nicht, dass er auf dem schön verstolperten Stück „Rattler“ gar mit Auto-Tune-Stimmverfremdung experimentiert, ist seinem Bekunden nach keine Spätwirkung von Berliner Clubnächten, sondern liegt daran, dass er viel Pop höre. Etwa, wenn er seine Kinder umherfahre. „Es macht mir zudem ziemlichen Spaß, mit all diesen neuen Audio-Plug-ins zu experimentieren“, sagt er.

Mit „Sparkle Hard“ balanciert Malkmus auf dem Grat zwischen Neuem und Vertrautem – und schafft dabei das Kunststück, sogar ab und an zu hüpfen

Mit „Sparkle Hard“ balanciert er auf dem Grat zwischen Neuem und Vertrautem – und schafft dabei das Kunststück, sogar ab und an zu hüpfen. Manche Songs erweisen sich als Wundertüte; sie morphen immer wieder zu etwas Neuem: Zum Auftakt des Songs „Cast Off“ etwa tröpfelt ein fast kitschiges Piano vor sich hin, das ein bisschen an David Bowies „Hunky Dory“ erinnert. Doch bald entwickelt sich daraus eine rumpelnde Pophymne. In „Refute“ wird aus dem countryesken Duett mit der ähnlich dengelig klingenden Kim Gordon, einst Bassistin und Sängerin von Sonic Youth, eine verschmitzte Liebesgeschichte.

Malkmus’ Klangpalette umfasst Space-Rock, sonnendurchtränkte Psychedelik und Prog-Rock, vorgetragen in seinem lakonischen Singsang. Der scheint dieser Tage weniger gelangweilt und ironisch, die brüchige Stimme wirkt warm. Und natürlich gibt es immer wieder tolle Gitarren, etwa auf dem Überhit „Shiggy“. Dieses Gebratze sollte eigentlich durch die Decke gehen wie einst Blurs „Song 2“, aber dafür ist Malkmus wohl doch zu sehr Querkopf.

Eindeutig wie nie

Trotzdem ist es ihm ein Bedürfnis, festzuhalten: „Ich bin echt nicht so der Gitarrenrock-Typ.“ Man glaubt diesem Dandy sofort, dass das Hemdsärmelige, allzu Unvermittelte nicht seins ist. Zwar ist Malkmus ein enigmatischer Texter und bastelt gerne mal unterhaltsamen Nonsense zusammen: „Ich bin immer wieder begeistert von neuer Lingo und will diese dann einbauen“, sagt er etwa. Auf Wort­ebene allerdings äußert sich Malkmus direkter als je zuvor. So nickt er der „Black Lives Matter“- und „#MeToo“-Bewegung zu: „Men are scum, I won’t deny“ heißt es in „Middle America“.

Stephen Malkmus & The Jicks: „Sparkle Hard“ (Domino/GoodToGo)

Live: 29. Oktober, Lido, Berlin; 30. Oktober, Stadtgarten, Köln

Im Song „Bike Lane“ scheint sich Malkmus eindeutig wie nie zu positionieren, indem er die Sehnsüchte des linksliberalen Portland mit dräuendem Post-Punk-Gequengel kontrastiert. Und den gewaltsamen Tod des jungen Afroamerikaners Freddy Gray im Polizeigewahrsam einer weiteren „beautiful bike lane“ (Fahrradspur) gegenüberstellt, die man sich in seiner Filterblase wünscht.

Der Kontrast wirkt wie ein sarkastischer Kommentar. Vielleicht hat er sich an den Gestank aus der Fabrik doch nicht gewöhnt? Im Gespräch mit der taz zuckt er nur mit den Schultern. „Na ja, man kann beide Anliegen wichtig finden, das schließt sich ja nicht aus“, sagt Malkmus. „Vielleicht liegt es nahe, dass man mehr Leidenschaft für das aufbringt, was vor der Haustür stattfindet.“ Da kommt dieser Ironiker des Indie-Rock plötzlich doch arg milde daher. In Musik übersetzt klingt das allerdings ziemlich rund und beglückend.

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