Speerwerfer Matthias de Zordo: Ganz gelassen in der Vorbereitung

Er könnte eine WM-Medaille gewinnen, obwohl er im Training nicht der Fleißigste ist. Kaum einer in der Weltspitze kann den Speer so gut beschleunigen wie Zordo.

Hat Technik statt Kraft: Matthias de Zordo. Bild: dpa

DAEGU taz | Matthias de Zordo weiß, was über ihn geredet wird. "Angeblich bin ich ein fauler Typ", sagt der 23-jährige Speerwerfer aus Saarbrücken. Dabei stiehlt sich ein verschmitztes Lächeln in sein Lausbubengesicht. Stimmt schon, Trainingsweltmeister sei er ganz sicher nicht. Aber gleich ein fauler Typ? Das nun auch wieder nicht, findet de Zordo. "Ich weiß nur die Grenzen meines Körpers einzuschätzen."

Auf diese Art ist Matthias de Zordo weit gekommen. Bei der EM im vergangenen Jahr gewann er mit persönlicher Bestleistung von 87,81 Metern Silber. Sein Trainer Boris Henry, selbst zweimal WM-Dritter im Speerwerfen, bezeichnete den Wettkampf damals als "überirdisch". Heute spricht er von einem "schweren Hype", der anschließend um den Athleten eingesetzt habe. Bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften gilt jetzt nicht mehr nur de Zordos Disziplinkollegin und Henrys Freundin Christina Obergföll aus Offenburg als Medaillenkandidatin.

Obergföll, Zweite der Weltjahresbestenliste, bestritt ihre Qualifikation am frühen Donnerstagmorgen deutscher Zeit. De Zordo, Vierter der Weltjahresbestenliste, ist am Donnerstagmittag (12 Uhr) dran. Obergföll, 30 Jahre alt und bereits WM-Zweite 2005 und 2007 sowie Olympia-Dritte 2008, hat schon fast alles erreicht. Nur Gold fehlt ihr noch. De Zordos Trainingsmoral beschreibt sie als "Gelassenheit". Und sie gesteht, dass sie ihm die EM-Medaille niemals zugetraut hätte. "Mit dem, was er trainiert? Never ever."

In den letzten acht Wochen habe der Sportsoldat jedoch "für seine Verhältnisse" sehr ordentlich gearbeitet. Daher sind Obergföll und Henry überzeugt, dass er in Daegu wieder eine Medaille gewinnen kann. Henry hat festgestellt, dass de Zordo die Herausforderung braucht. Wenn Konkurrenten wie der norwegische Olympiasieger und Titelverteidiger Andreas Thorkildsen oder der Finne Tero Pitkämäki, Weltmeister von 2007, neben ihm stehen, kommt so richtig Leben in den 1,90 Meter langen Mann.

Im Training ist davon nichts zu spüren. De Zordo habe Defizite im Kraft-, Sprung- und Sprintbereich, sagt Henry. Also überall eigentlich. "Athletisch ist er der Schlechteste in meiner Gruppe - aber er wirft am weitesten." Und allein darauf kommt es an. Deshalb ist Henry vorsichtig. Er spricht zwar von einem "wahnsinnigen Potenzial", das de Zordo noch habe. Andererseits: "Vielleicht ist es ja ein cleverer Charakterzug, weniger zu machen, wenn der geringere Aufwand gut genug ist."

"Matthias kann das einfach"

De Zordos großes Plus ist seine Technik. Er wirft so effizient wie kaum ein anderer. "Verzögerung" nennen sie das in der Speerwurf-Fachsprache. Da geht es um den Moment, wenn der Fuß vorn aufsetzt, der Arm aber hinten noch wartet, um die im Anlauf generierte Geschwindigkeit voll zu übernehmen und dem Speer mitzugeben. "Matthias kann das einfach", sagt Henry.

Der Trainer ist überzeugt, dass andere weiter werfen würden als de Zordo, wenn sie das auch könnten. Weil sie athletischer sind. Aber sie können es eben nicht. Henry vergleich de Zordo deshalb hartnäckig mit dem Tschechen Jan Zelezny, der drei Mal Olympiasieger und drei Mal Weltmeister wurde und seit 1996 mit 98,48 Metern den Weltrekord hält. Nur athletisch sei Zelezny besser drauf gewesen als de Zordo. Mehr nicht.

De Zordo, der seinen Wurfarm, bis er 18 war, zusätzlich beim Handball stählte, sieht ja ein, dass er in Sachen Kraft und Schnelligkeit etwas mehr tun könnte. Er kann aber auch erklären, warum er es nicht macht. "Wenn ich zu schnell zu viel mache, habe ich das Gefühl, dass ich zu kurz werde", sagt er, zeigt auf seine Brustmuskeln und zieht die Schultern nach vorn. "Und dann könnte ich meinen Trump, den langen Arm, vielleicht nicht mehr ausspielen." Und überhaupt: "Ich bin jung, habe noch viele Jahre vor mir, ich will mich nicht zu früh verausgaben." Da ist sie, diese Gelassenheit, um die Christina Obergföll ihren Kollegen fast schon beneidet.

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