„Spiegel“ trennt sich von Chefredakteur: Jetzt ist mal gut

Die Sitcom „Wer ist hier der Boss?“ endet: Nach wochenlangem Streit muss „Spiegel“-Chef Wolfgang Büchner gehen.

Hat den Zorn der Redakteure schon vor Amtsantritt auf sich gezogen: Wolfgang Büchner. Bild: dpa

BERLIN taz | Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel trennt sich von seinem Chefredakteur Wolfgang Büchner. Das bestätigte eine Sprecherin am Donnerstagnachmittag der taz: „Es ist richtig, dass Wolfgang Büchner das Unternehmen zum Ende dieses Monats einvernehmlich verlässt.“ Auch Geschäftsführer Ove Saffe habe sein Amt niedergelegt, „steht aber bis längstens Mitte nächsten Jahres weiter als Geschäftsführer zur Verfügung“. Eine Nachfolgeregelung für die Chefredaktion sei noch nicht erfolgt. „Die Gespräche beginnen jetzt.“

Ab sofort soll die Print-Redaktion übergangsweise von den bisherigen Vize-Chefredakteuren, Klaus Brinkbäumer und Clemens Höges, geleitet werden. Barbara Hans und Florian Harms, die stellvertretenden Spiegel Online-Chefs, sollen das Angebot im Web führen. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass Brinkbäumer und Harms auch dauerhaft die höhere Klasse halten werden.

Brinkbäumer, seit 1993 beim Spiegel, seit 2011 Vize-Chef, soll laut taz-Informationen Büchners Nachfolge antreten. Neben ihm soll Harms die Redaktion leiten, nicht aber als Teil einer gleichberechtigten Doppelspitze wie einst in der Ära Georg Mascolo/Mathias Müller von Blumencron, sondern mit klar abgesteckten Zuständigkeiten. Unklar ist, wer die Geschäftsführung übernehmen soll.

Bis zum Donnerstagnachmittag hatte der Spiegel die Absetzung von Büchner trotz eindeutiger Medienberichte noch dementiert: „Büchner sei nicht freigestellt“, zitierte der Evangelische Pressedienst eine Verlagssprecherin. „Es sei auch kein Nachfolger für ihn benannt.“ Das Problem an dem Dementi: Das hatte so fast niemand behauptet. Niemand hatte geschrieben, dass Büchner schon freigestellt sei.Es ging lediglich darum, dass die Trennung des Ehepaars Spiegel-Büchner kurz bevorstünde – was sich dann bewahrheitete.

Dass nun auch dieser letzte Tag, das Soap-Finale, derat konfus gescriptet ist, passt zur Komödie, die beim Spiegel seit Büchners Antritt vor 15 Monaten aufgeführt wird. Nachdem Büchner schon vor seinem ersten offiziellen Arbeitstag mit der Bestellung von Bild-Mann Nikolaus Blome zum Hauptstadtbüroleiter den Zorn vieler Redakteure auf sich gezogen hatte, saßen im Juli dieses Jahres drei Ressortleiter bei Ove Saffe und schlossen eine weitere Zusammenarbeit mit Büchner aus.

Die Gräben sind tiefer

Dieser wehrte sich, packte sein Konzept „Spiegel 3.0“ aus, das die Neuausschreibung aller Ressortleiterposten vorsah. Mehr als 80 Prozent der Printredaktion unterzeichneten daraufhin ein Misstrauensvotum gegen ihren Chef.

Doch Büchner hielt sich. Die Gesellschafter – Mitarbeiter KG (50,5 Prozent), Gruner+Jahr (25,5 Prozent) und Augstein-Erben (24 Prozent) – wollten, dass bei „Spiegel 3.0“ nachgebessert würde, schubsten den wankenden Büchner aber noch nicht vom Stuhl. Deswegen legte die Print-Redaktion Anfang November nach, sprach in einer Resolution gegen Büchner von einem „offensichtlichen Führungsvakuum“. Diesmal sollen 91 Prozent der Redaktion unterzeichnet haben.

Saffe stand während dieser Zeit stets treu an der Seite von Büchner und stützte dessen „Spiegel 3.0“-Konzept. Es half nichts. Am Mittwochabend wurde auf einer Betriesbsversammlung verkündet, dass einer der Gesellschafter dem Kern des Konzepts, der Zusammenlegung der Ressortleiterposten, nicht zugestimmt hat. Damit war klar, dass Büchner keine Zukunft hat. „Das Konzept Spiegel 3.0 ist damit jedoch nicht auf Eis gelegt“, erklärte eine Spiegel-Sprecherin.

Von Büchner hatten sich gerade die Onliner viel erhofft. Jetzt sind sie ernüchtert. „Die Ära Büchner hat uns kaum etwas gebracht, die Gräben zwischen Print und Online sind eher tiefer geworden“, sagte ein Redakteur von Spiegel Online der taz. Mit dem gegenteiligen Ziel war Büchner einst angetreten.

Skepsis bei den Onlinern

Doch auch vom Nachfolger Brinkbäumer, der in der Print-Redaktion großen Rückhalt genießt, halten die Onliner wenig. „Wir sind skeptisch, was seine Digital-Kompetenz anbelangt.“ Brinkbäumer habe sich nie bei ihnen blicken lassen, vertrete die Meinung, ein starkes Spiegel Online schade dem Heft. „Diese Ansicht scheint in der Print-Redaktion erschreckend verbreitet zu sein“, so der Online-Redakteur.

Wenn ihnen die Büchner-Ära eines gebracht hat, dann Selbstbewusstsein. Sie wollen nicht Erfüllungsgehilfen des Hefts sein. Auch sie können kämpfen.

Schon lange haben die Onliner den Eindruck, der Spiegel werde von einer alten Seilschaft, dem „Freundeskreis“, von langjährigen Print-Redakteuren gesteuert, die vor allem ihren eigenen Machterhalt im Sinn haben.

Und damit steht das Spin-Off der Spiegel-Soap schon fest. Print gegen Online, Online gegen Print. Kein einfaches Drehbuch für die neuen Chefs.

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