Spielfilm „Die Geschichte der Liebe“: Die Welt auf den Schultern tragen

Radu Mihăileanus Romanverfilmung „Die Geschichte der Liebe“ ist schöner, etwas braver Kitsch. Im Zentrum der Story steht ein verschollenes Buch.

Eine Frau steht im Türrahmen und blickt einen Mann an.

Leo (Mark Rendall) findet Alma (Gemma Arterton) endlich in New York wieder. Aber es ist zu spät Foto: Prokino

„Die Geschichte der Liebe“ ist Kitsch, wie er im Buch steht. Man weint beim Sehen leise vor sich hin und macht es sich im Mantel der Tröstung bequem, den der Film bereit hält. Er handelt von einem schrulligen, grantigen, alten Mann namens Leo Gursky, der allein in New York lebt. Nach dem Krieg ist er hierher gekommen, um seine Liebe wiederzufinden und mit ihr glücklich zu werden.

Alma war von den Eltern in die USA geschickt worden, als die Nazis ihr Heimatland überfielen. Leo ist ein talentierter Autor, er konkurriert mit seinen Freunden Zvi und Bruno um die Liebe der schönen und klugen Alma – und um den besten Text. Er aber schreibt am besten und Alma liebt nur ihn.

Leo schickt Alma die ersten Kapitel seines Buchs „Die Geschichte der Liebe“ per Post nach New York, solange es trotz Kriegswirren möglich ist. Als er endlich selbst nach New York kommt, ist Alma verheiratet und hat zwei Söhne. Der ältere, Isaac, ist Leos Sohn.

Alma nimmt Leo das Versprechen ab, Isaac nie zu erzählen, dass er sein Vater ist. So wie sie ihm noch in Europa das Versprechen abgenommen hat, sie nie zu vergessen und zu überleben. Leo ist ein tapferer Mann, der seine Versprechen einhält, selbst wenn es ihn sein eigenes Leben kostet und obwohl in jedem Versprechen schon der Verrat angelegt ist.

„Die Geschichte der Liebe“. Regie: Radu Mihăileanu. Mit Gemma Arterton, Derek Jacobi u. a. Frankreich/Kanada 2016, 135 Min.

Verrat ist das untergründige Thema dieses Films, und „Die Geschichte der Liebe“ weiß insgeheim, dass sie ganz Kultur und insofern selbst Verrat ist, indem sie zwar von den großen Verbrechen der Menschheit erzählt, am Ende aber die Sonne im Park scheint.

Der Vater stirbt

Leos Sohn Isaac wird ein berühmter Autor. Lange nachdem Alma gestorben ist, schickt Leo seine Lebensgeschichte, eine Nachschrift seiner verschollenen „Geschichte der Liebe“, an Isaac. Aber der meldet sich nie.

Leo ist tapfer. Er hält sein Versprechen, selbst wenn es ihn sein eigenes Leben kostet

Leo weiß nicht, dass eine andere Familie, die auch von einem Verlust geschlagen ist, von einem Buch namens „Die Geschichte der Liebe“ beeinflusst ist, das vor langer Zeit die Lieblingslektüre der Eltern war. Ihre Tochter nennen sie Alma nach der Hauptfigur der „Geschichte der Liebe“, dann stirbt der Vater.

Einer könnte der Messias sein

Die Familie der jungen Alma ist Leo an Schrulligkeit ebenbürtig. Almas Bruder, Bird genannt, hält sich für einen der 36 Lamed Vavniks. Laut chassidischer Lehre sind dies die gottesfürchtigen Männer, die in jeder Generation die Welt auf ihren Schultern tragen, einer von ihnen könnte gar der Messias sein.

Alma macht Survivaltraining, will Feuerwehrfrau werden und weist die Liebe eines hübschen, klugen und ehrlichen jungen Manns von sich, weil sie vom Tod des Vaters traumatisiert ist. Ihre Mutter raucht Kette und verbringt ihre Zeit im Garten, bis sie von einem mysteriösen Mann den Auftrag erhält, „Die Geschichte der Liebe“ vom Spanischen ins Englische zu übersetzen.

Noch einen drauf

Nicole Krauss, die Exfrau von Literaturdarling Jonathan Safran Foer, hat die Vorlage zu diesem Film geschrieben. Der Titel ihres Romans ist derselbe, und darin ist auch schon alles sehr kompliziert. Das Drehbuch setzt in jeder Hinsicht noch einen drauf. Regisseur Radu Mihăileanu hat es selbst geschrieben und den Film produziert.

Der Mann arbeitet nach allen Regeln der Kunst. In über zwei Stunden Laufzeit entwickelt Mihăileanu die Handlung Szene um Szene, setzt wohldosiert Rückblenden ein, lässt die Geschichten des alten Leo und der jungen Alma in raffinierten Schnitten sich langsam aufeinander zubewegen und kann sich auf seine hervorragenden Schauspieler verlassen.

Wenige gute böse Witze

Handwerklich ist das auf höchstem Niveau, wirklich überraschend oder gar innovativ an keiner Stelle. Macht aber nichts, weil man ja weinen, hin und wieder auch herrlich lachen und alle diese Menschen höchst sympathisch finden kann. Und weil – trotz aller Schrecknisse, Grausamkeiten, Enttäuschungen – Leo ein glücklicher Mensch ist, der die Schönheit des Lebens zu schätzen weiß.

Es gibt halt nur zu wenige gute böse Witze: Nur gegenüber einer Person ist Leo wirklich gemein. Immer wieder lässt er absichtlich seinen Kaffee auf den Boden plumpsen, weil das hübsche blonde Mädchen, das ihn im Café bedient, ein deutsches Mädchen ist. Es trägt die Boshaftigkeit des Alten lange mit Fassung. Als es endlich aus der Haut fährt, tut es das im falschen Moment. Denn dieses eine Mal lässt Leo sein Handy wirklich vor Schreck fallen: Die Zeitung berichtet vom Tod seines Sohns.

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