Spionagevorwürfe der Türkei: In den falschen Händen

Die Festnahme eines Anwalts der deutschen Botschaft in Ankara gefährdet Asylsuchende. Ihre Informationen landen beim türkischen Geheimdienst.

Ein Schild weist die Deutsche Botschaft in Ankara aus

Die deutsche Botschaft in Ankara Foto: dpa

Das Thema sei hochsensibel, heißt es im Außenministerium, und hat offenbar das Potenzial, die deutsch-türkischen Beziehungen erneut schwer zu belasten. Der Rechercheverband von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung machte am Mittwochabend öffentlich, dass bereits am 17. September der sogenannte Kooperationsanwalt der deutschen Botschaft in Ankara, Yilmaz S., festgenommen wurde und seitdem in Untersuchungshaft sitzt. Der offizielle Vorwurf laute „Spionage für Deutschland“.

Tatsächlich geht es um die Beschaffung von Informationen, die für in Deutschland laufende Asylverfahren türkischer Staatsbürger wichtig sein können. Im Klartext heißt das: Der Anwalt fragte im Auftrag der Botschaft bei Staatsanwaltschaften oder der Polizei nach, ob gegen den Asylbewerber XY etwas vorlag, ob ein Ermittlungsverfahren gegen ihn lief und ob er bei einer Rückkehr in die Türkei verhaftet werden würde.

Diese Informationen wurden dann über das Auswärtige Amt an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) weitergereicht und dort in die laufenden Asylverfahren eingespeist. Eine „international übliche und aus unserer Sicht unstrittig zulässige Unterstützungsarbeit für die Botschaft vor Ort“, wie das Auswärtige Amt betont.

Ohne dass davon weiter Notiz genommen wurde, hatten regierungsnahe türkische Zeitungen am 18. September über die Festnahme berichtet. Dort heißt es, Yilmaz S. und ein weiterer, nicht genannter Anwalt seien, als sie auf dem Weg zur Botschaft waren, festgenommen worden. Yilmaz S. werde der Unterstützung der kurdischen PKK und der islamistischen Gülen-Bewegung, die für den Putschversuch 2016 verantwortlich gemacht wird, verdächtigt.

Weitreichende Auswirkungen

Bei den Asylsuchenden, für deren Verfahren der Anwalt Informationen beschaffen sollte, handelt es sich offenbar um kurdische Aktivisten und um Anhänger der Gülen-Bewegung. Hier offenbart sich, welche weitreichenden Auswirkungen die Verhaftung des deutschen Anwalts haben könnte. Denn sowohl was die Kurden, aber auch – und vor allem – die Gülen-Anhänger betrifft, ist die Türkei seit Langem erbost, dass die Bundesrepublik vielen von ihnen Asyl gewährt hat und sie damit der Strafverfolgung in der Türkei entzieht.

Schon mehrfach war der Verdacht aufgekommen, dass der Bundesnachrichtendienst solche Informationen, die er bei Asylbewerbern abgeschöpft hat, an befreundete Dienste weitergegeben hat

In der Sache wirft die Staatsanwaltschaft Yilmaz S. deshalb wohl vor, er beschaffe für PKK-Anhänger und „Putschisten“ der Gülen-Bewegung Material, das ihnen bei ihren Asylverfahren in Deutschland helfe.

Das Fatale ist: Nach der Festnahme hat die Polizei das Büro von Yilmaz S. durchsucht und dabei rund 300 Akten beschlagnahmt. Darin enthalten sind offenbar Informationen über Aussagen, die die Asylbewerber in ihren Verfahren gemacht haben. Aussagen, die diese zu ihrer Verfolgung gemacht haben und die nun womöglich andere Menschen in Deutschland und der Türkei belasten könnten.

Sollte das der Fall sein, wäre es ein weiterer Hinweis darauf, dass fahrlässig mit Informationen aus Asylverfahren umgegangen wird. Schon mehrfach war der Verdacht aufgekommen, dass der Bundesnachrichtendienst solche Informationen, die er bei Asylbewerbern abgeschöpft hat, an befreundete Dienste weitergegeben hat.

Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, man setze sich intensiv für die Freilassung von Yilmaz S. ein. Botschafter Erdmann habe bereits mehrfach mit den zuständigen türkischen Behörden gesprochen. Allerdings könne die Botschaft den Anwalt im Gefängnis nicht besuchen, da dieser türkischer und nicht deutscher Staatsbürger sei. Und solange unklar ist, welche Informationen in den Akten über die Asylbewerber stehen, müssen diese damit rechnen, gefährdet zu sein.

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