Sponsoring von Selbsthilfegruppen: Am Tropf der Pharmaindustrie

Auch bei der Überprüfung, ob Patientenselbsthilfegruppen von der Pharmaindustrie unterwandert werden, setzen die Vereine und Verbände auf Eigeninitiativen.

Ein Drittel der Spende einer SHO stammt von nur einer Firma. Auch Produkt-Empfehlungen sind laut freiwilliger Selbstkontrolle unbedenklich. Bild: dpa

Sponsoringmethoden von Pharmafirmen werden in Medien und Fachöffentlichkeit immer mal wieder hinterfragt. Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (BAG) - sie zählt über 100 Mitgliederverbände - zeigt Problembewusstsein: "Durchaus vorhandenen Versuchen der Arzneimittelhersteller, Selbsthilfegruppen zu unterwandern und zu beeinflussen", steuere man "vehement entgegen", betont BAG-Geschäftsführer Martin Danner in einer Mitteilung.

Orientierung und Hilfe sollen "Leitsätze" und ein Monitoringverfahren bieten, gemeinsam formuliert und entwickelt von der BAG und dem Forum chronisch kranker und behinderter Menschen im Paritätischen Gesamtverband. Ihr erklärtes Ziel ist es, Unabhängigkeit und Neutralität von Patientenorganisationen zu wahren, wenn sie mit Wirtschaftsunternehmen kooperieren und von diesen Geld oder Sachmittel bekommen.

Die Monitoringausschüsse haben nun ihren ersten Tätigkeitsbericht veröffentlicht, er bilanziert den Zeitraum von Mai 2007 bis Ende 2008. Das Papier ist ein Gradmesser dafür, wie weit die Selbstkontrolle der organisierten Selbsthilfe praktisch geht - und wo sie derzeit endet.

Begrenzt ist die Transparenz schon durch die Art der Berichterstattung: Anlässe und Ergebnisse der Prüfungen werden bewusst "nur abstrakt" dargestellt; auffällig gewordene Selbsthilfeorganisationen (SHO) und Unternehmen also nicht beim Namen genannt. Menschen, die nach unabhängigen SHO suchen, haben von solchen Anonymisierungen nichts.

Zwei "Beanstandungen" hat der Monitoringausschuss der BAG bis Ende 2008 geprüft, beide Male konnte er aber keine Verstöße gegen die Leitsätze erkennen.

Im ersten Fall hielt es das Gremium für zulässig, dass eine SHO in ihrer Zeitschrift ein bestimmtes Medikament empfahl - Begründung: Die Arznei sei von diesem Verband "selbst mitentwickelt" worden, zudem habe es kein Alternativpräparat auf dem Markt gegeben. Was die Patientenorganisation hier genau beigesteuert hat, steht nicht im Monitoringbericht - selbst geforscht haben dürfte sie nicht.

Die zweite Eingabe betraf den Geschäftsführer einer SHO, der "als Privatperson" eine Firmenveranstaltung moderiert hatte. Im Programm wurde seine berufliche Position allerdings ausdrücklich erwähnt. Dies sei zwar kein Verstoß gegen die Leitsätze, meinen die Prüfer. Sie empfehlen dem Mann aber, seine Verbandsfunktion "bei privaten Aktivitäten" künftig nicht mehr herauszustellen.

Mehrere Vorgänge, zuvor "in öffentlichen Publikationen benannt", untersuchte der Ausschuss aus eigenem Antrieb. Dabei stellte er teils Leitsatzverstöße fest, teils nicht. "Bedenklich" finden die Prüfer zum Beispiel, dass ein selbst betroffener Mitarbeiter einer privaten Firma als Vorsitzender einer SHO fungiert, "wenn das betreffende Unternehmen Produkte im Indikationsbereich des Verbands vertreibt oder entwickelt" - aber erst dann, wenn der Betroffene "an entscheidungsbefugter Stelle in dem Unternehmen tätig" sei.

Klare Leitsatzverstöße erkannte der BAG-Ausschuss auf der Homepage einer SHO. Die hatte einen aktiven Link zur Internetseite eines Gesundheitsunternehmens geschaltet, das obendrein Inhaber auch der Webseiten war, die unter dem Namen der SHO firmierten.

Durchgecheckt hat das Gremium auch ein "Schwerpunktheft" einer SHO. Dabei kam heraus, dass ein redaktioneller Beitrag "zu einem bestimmten" Wirkstoff in unmittelbarer Nähe zu einer bezahlten Anzeige stand, die für ein Produkt warb, das eben diese Substanz "in besonders großem Umfang" enthält - auch solche Werbepraktiken sind unvereinbar mit den Regeln der Selbsthilfe.

Die Selbstkontrolle ist als lernendes System gedacht; von konkreten Sponsoringerfahrungen ausgehend sollen auch "Präzisierungen und Ergänzungen" der Leitsätze erfolgen. Wo die BAG "Weiterentwicklungsbedarf" zur Sicherung der Unabhängigkeit sieht, zeigen die Geschäfte zweier SHO, die von sich aus um Begutachtung ihrer Aktivitäten gebeten hatten. Angestellte des einen Verbandes hatten für dessen Mitgliederzeitschrift über 100.000 Euro für Werbeanzeigen eingeworben - pro Jahr.

Die andere SHO wies für 2006 rund 60.000 Euro an Spenden aus. Etwa ein Drittel stammte von nur einer Firma, somit finanzierte sie mehr als 5 Prozent aller Verbandseinnahmen.

Beide Fälle bewertete der Monitoringausschuss als regelkonform, auch sei die Gemeinnützigkeit der SHO durch die Art der Zuwendungen nicht gefährdet. Dennoch soll nun in die Leitsätze aufgenommen werden, dass ein einziges Unternehmen höchstens 5 Prozent der Gesamteinnahmen einer SHO finanzieren dürfe. Wird dieser Anteil überschritten, muss die SHO künftig den Ausschuss informieren.

"Seitens der Öffentlichkeit" werde ein Sanktionenkatalog "angefragt", vermerkt der Tätigkeitsbericht und erklärt, jedermann könne bei Verdacht auf Missachtung der Leitsätze "Beanstandungen" bei den Monitoringgremien einreichen. "Bisher", so die Prüfer, "ließ sich jedoch aufgetretenes Fehlverhalten im innerverbandlichen Diskurs abstellen." Daher sei es auch nicht notwendig geworden, Verstöße namentlich zu veröffentlichen oder gar den Ausschluss einer SHO aus den Dachverbänden anzustrengen.

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