Sport: Kletterpartie mit Hindernissen

Die zähen Bemühungen des Bremer Alpenvereins um eine Kletterhalle kommen langsam voran. Für die private Konkurrenz ist das allerdings ein Problem.

Gefällt dem Bremer Alpenverein: Der Kletterhallenentwurf des Münchner Architekturbüros rgp. Bild: rgp

BREMEN taz | Der Streit zwischen dem Deutschen Alpenverein und den privaten Kletterhallen wird auf den höchsten Gipfeln der EU ausgetragen: Nachdem „Klever“, der Verband der privaten Hallen, mit seiner Beschwerde bei der EU-Kommission wegen Wettbewerbsverzerrung gescheitert ist, bemüht er nun den Europäischen Gerichtshof. In Bremen haben die Behörden trotzdem grünes Licht für den Bau einer 1.400 Quadratmeter großen Kletterhalle durch die hiesige Sektion des Deutschen Alpenvereins (DAV) gegeben.

Die Baugenehmigung ist erteilt, das 15 Meter hohe Gebäude soll in unmittelbarer Uni-Nähe, neben der Wendeschleife der Linie 6 entstehen. Allein der Baukörper wird rund 2,5 Millionen Euro kosten, 200.000 davon kommen von der Wirtschaftsförderung Bremen. Darüber hinaus will der DAV eine Kreditbürgschaft der Stadt beantragen.

Eigentlich sollte die Halle bereits 2012 stehen, ein Mix aus Geld-, Brandschutz- und Konkurrentenklageproblemen hat diesen Termin immer wieder verschoben. Derzeit wird von Sommer 2015 als Eröffnungstermin gesprochen. „Im Augenblick arbeiten wir vor allem an einer Reduzierung der Bau- und Ausstattungskosten“, sagt der Bremer DAV-Vorsitzende Ronald Hillebrand. Die Angebote der Baufirmen lägen derzeit noch „oberhalb unserer Möglichkeiten“.

Wenigstens sind die juristischen Sorgen der Verantwortlichen etwas geringer, trotz der offenen Fragen auf EU-Ebene: Das Oberlandesgericht Berlin wies kürzlich eine dortige Konkurrentenklage ab. Sieben private Hallen haben bislang vergeblich die Gerichte angerufen. Neben den steuerlichen Vorteilen vereinsgestützter Angebote hoben sie dabei vor allem auf die unterschiedliche Höhe der Erbpachtzinsen ab. In Bremen müssen gemeinnützige Vereine nur ein Drittel der Zinsen zahlen, die Private aufzubringen haben.

Wie also wird das Konkurrenz-Problem vor Ort gesehen? „Ich freue mich auf die Kletterhalle“, sagt der Jurist Franziskus Denk, selbst DAV-Trainer, der am ehemaligen Güterbahnhof die Boulderhalle „Linie 7“ betreibt. Denn: „Ein solches Angebot ist in Bremen bislang nicht vorhanden.“ Denks Halle ist dem Bouldern gewidmet, dem seilfreien Klettern in Absprunghöhe, und verfügt lediglich über eine nur sieben Meter hohe Seilkletter-Ecke zu Ausbildungszwecken.

Kritisch sieht Denk allerdings die Absicht des DAV, auch einen Boulder-Bereich anzubieten – und das sowohl aus Perspektive des Konkurrenten als auch aus der des DAV-Mitglieds, das Denk auch ist. Der Verein mache das Projekt damit unnötig teuer, zumal zwei Straßen entfernt vom geplanten Kletterzentrum die Boulder-Anlage des Hochschulsports zur Verfügung stehe. Insofern sei es deutlich sinnvoller, wenn sich die DAV-Halle auf das Seilklettern konzentriere.

Aber schaffen neue Angebote nicht auch eine wachsende Nachfrage – sodass alle Anlagen ausreichend ausgelastet wären? „Das müssen wir abwarten“, sagt Denk, gewisse Sorgen habe er diesbezüglich aber schon: In Kassel sei der Umsatz der privaten Kletterhalle nach dem Bau einer DAV-Halle um ein Drittel zurückgegangen. Denk, ausgezeichnet mit dem „Bremer Gründerpreis 2011“, sagt: „Für uns steht die Sicherheit der bisher geschaffenen Arbeitsplätze auf dem Spiel.“ Derzeit seien das sieben, dazu die Honorarkräfte.

Hillebrand hingegen ist sicher, dass Bremen zwei Hallen gut verkraften kann: „Wir sind neben Hannover die einzige Halbmillionenstadt ohne Seilkletterhalle, dabei ist Klettern eine Trendsportart.“ Auch der Verweis auf die heutige überzähligen Hallen, die für den 80er-Jahre-Trendsport Tennis gebaut wurden und heute dem Kreditbürgen Bremen auf die Füße fallen, verunsichert Hillebrand nicht: „Klettern ist eine Massenbewegung ohne Stars“, sagt er in Abgrenzung zur Vergänglichkeit des Boris-Becker-Booms. „Aus heutiger Sicht ist nicht vorstellbar, dass zwei Hallen für Bremen zu viel sind.“ Der DAV rechnet mit 50.000 Eintritten pro Jahr – „Linie 7“ hat derzeit rund 35.000.

Für den DAV mit seinem hohen Altersdurchschnitt sind vereinseigene Kletterhallen der entscheidende Faktor zur Mitglieder-Gewinnung. Aus Nutzerperspektive wiederum ist die Angebots-Erweiterung, also eine Kombination von Linie 6 und „Linie 7“, natürlich von Vorteil – zumal der nächste Naturfels im Ith, Teutoburger Wald oder Harz mindestens zwei Autostunden entfernt ist.

Allerdings hätte eine Kooperation von DAV und Privaten der Kletterszene schon wesentlich früher zu einer guten Infrastruktur verhelfen können: Die Initiatoren der heutigen „Nordwandhalle“, nun an einer wenig attraktiven Stelle in Hamburg-Wilhelmsburg angesiedelt, hatten schon vor Längerem die gemeinsame Entwicklung des Standorts an der Uni vorgeschlagen. Die Bildung einer Kletter-Seilschaft scheiterte jedoch an Bedenken und gegenseitigen Vorbehalten.

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