Sportpresse in der Corona-Krise: Leser ohne Tore

Das Berliner Traditionsblatt „FußballWoche“ kämpft ums Überleben. Das Kerngeschäft der Zeitung bricht weg: Spielberichte aus den Kreisligen.

Loch im Rasen

Nur für den Rasen gut, ansonsten ein echtes Loch im Leben der Kreisligisten Foto: Zink/imago

Weltweit geht es derzeit auf den Sportseiten der Zeitungen nicht mehr um Sport im eigentlichen Sinn, sondern um die Absagen großer und kleiner Events, um positiv auf das Virus getestete Sportler und Sportlerinnen, um Kommentare von Vereinschefs und Aktiven zur Lage und um Spekulationen darüber, ob die Olympischen Spiele in Tokio nun stattfinden werden oder nicht.

Für die Printprodukte, deren Kerngeschäft Meldungen und Spielberichte rund um vor allem den unterklassigem Fußball sind, ist die Situation besonders hart. Die Berliner FußballWoche etwa brachte in ihrer seitenreduzierten dieswöchigen Ausgabe ein Editorial, in dem Chefredakteur Horst Bläsig die Lage der Dinge gleichermaßen drastisch wie realistisch zusammenfasst: „Den Spielbetrieb“, schreibt er, „gibt es nicht mehr. Und niemand weiß, wie lange das so bleiben wird.“

Für die derzeitige Situation gebe es „keine Parallelen“, und das bedrohe die Existenz der Zeitung. Gefragt sei nun die Solidarität der Leser: „Denn nur so wird es, wenn wieder ein Stück Normalität in unser Land und in unseren Alltag zurückkehrt, auch noch eine FußballWoche geben.“

Es könnte ältere Fußballfans geben, die glauben, dass es die FuWo gar nicht mehr gibt. In der DDR war nämlich auch eine FuWo, genauer: Die neue Fußballwoche, erschienen. Ab Oktober 1949 gab der (Ost)-Berliner Sportverlag das Blatt heraus, und ab 1. Januar 1993 hatte das kicker-Sportmagazin das Blatt übernommen. Diese fuwo/kicker wurde allerdings nach nur sieben Ausgaben Mitte Februar 1993 eingestellt.

Aufruf an die Leser

Was steht aber nun für das traditionell aus (West-)Berlin kommende Traditionsblatt FußballWoche an? Wird es die Zeitung vielleicht schon bald nicht mehr geben? So schlimm wird es wohl nicht kommen. Das Editorial sei „ein Aufruf in eigener Sache gewesen, um darauf hinzuweisen, dass uns die Arbeitsgrundlage genommen wurde“, sagt Redakteur Ulli Meyer, der seit 2002 bei der FuWo arbeitet.

Ulli Meyer, Redakteur

„2023 wird die FuWo 100 Jahre alt, das werden und wollen wir erreichen“

Ganz neu seien ja fußballose Zeiten für die FuWo-Macher nicht, „in der Sommer- und Winterpause finden ja nun auch keine Spiele statt“. Allerdings, so schränkt Meyer ein, „gibt es dann jeweils viel Drumherum, das die Fans interessiert und über das berichtet werden kann: Hallenturniere, Transfers, Testspiele.“

Im Übrigen sei während des Winters in der Saison 2009/2010 der Ligenbetrieb in Berlin „wetterbedingt wegen Schnee und Eis und tiefgefrorenen Plätzen“ zwar auch wochenlang ausgesetzt gewesen, aber nun komme „erschwerend hinzu, dass die Amateurvereine nicht einmal mehr trainieren dürfen“. Die Plätze sind gesperrt, die Anlagen inklusive der Duschen sind nicht nutzbar.“ Was von den Trainern gerade kommen könnte, wären Ansagen an ihre Spieler: „Geht in der Hasenheide oder in der Jungfernheide laufen!“ Ein geregeltes Training mit Übungen und Testspielen sei derzeit eben nicht möglich.

Die aktuelle Situation, von der niemand weiß, wann sie endet, „trifft uns auch brutal“, sagt Ulli Meyer. „Am Kiosk wird die Zeitung nicht so gekauft wie sonst, weil eben nicht viel über den aktuellen Fußball in der Stadt drinsteht und drinstehen kann.“ Wie auch? Die FuWo berichtet über die Lage in den Ligen von der Regionalliga abwärts, „da sind wir führend in der Stadt“, sagt Meyer ein bisschen stolz und fügt hinzu: „Wenn nun aber wochen- oder gar monatelang nichts weitergeht, dann bricht uns das weg.“

Notausgabe und gute Ideen

Die Lösung sei, weiterzuarbeiten wie bisher und ein gutes Blatt zu machen, wenn auch im Moment als Notausgabe. „Wir versuchen nun trotzdem, ein gutes Leseangebot zu machen, mit Umfragen, Interviews, Historischem und einigen Überraschungen – zum Glück haben wir motivierte Mitarbeiter, die auch um die aktuelle Situation wissen, enge Kontakte zu den Vereinen haben und guten Lesestoff anbieten.“

Außerdem seien ja nicht nur die Aktiven von der Zwangspause betroffen. „Wir haben über 1.000 Schiedsrichter in Berlin, die derzeit nicht pfeifen können, darüber zu berichten, wie sie sich fit halten, gehört dann auch dazu.“

„Vielleicht“, hofft Meyer, „nimmt das Ganze aber sowieso auch in unserem Blatt einen kreativen, interessanten Verlauf, es gibt jedenfalls eine Menge spannender Ideen. Den Gedanken, dass wir nun einfach für vier oder mehr Wochen aussetzen, gab es bei uns jedenfalls nie.“

Und die Resonanz der Leser auf die erste durch Corona beeinträchtigte Ausgabe der FuWo sei durchaus positiv gewesen, „wir haben 32 Seiten gemacht, und die Leute, die ja nun auch wissen, wie es fußballmäßig derzeit aussieht, sagten uns: ‚Wow, da steht ja wirklich was drin.‘ “

Und eines stehe sowieso fest: „2023 wird die FußballWoche 100 Jahre alt, dieses Jubiläum wollen und werden wir erreichen.“ Bewusst positiv endet auch das Editorial von Chefredakteur Horst Bläsig: „Bleiben Sie menschlich und solidarisch“, fordert er die Leserschaft auf, und fährt fort: „Irgendwann kommen hoffentlich wieder bessere Zeiten. Bewahren wir uns Zuversicht: Unter dem Pflaster, da liegt der Strand!“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.