Staatstrojaner in Hessen: Noch regt sich Widerstand

In Hessen streiten CDU und Grüne um die Möglichkeit für den Verfassungschutz, Staatstrojaner einzusetzen. Nach heftigem Protest lenken die Grünen ein.

Zwei Männer stecken die Köpfe zusammen

Volker Bouffier (CDU) und Tarek Al-Wazir (Grüne) wollen ganz genau mithören Foto: dpa

WIESBADEN taz | Als die Große Koalition vor einem Jahr im Bundestag den Strafverfolgungsbehörden per Gesetz den Einsatz von „Staatstrojanern“ gestattete, geißelten das die grünen Netzpolitiker Christian Ströbele und Konstantin von Notz als „finalen Angriff auf die Bürgerrechte“. Sicherheitsbehörden erhielten die Befugnis, Smartphones und Computer mit Schadsoftware zu infiltrieren und würden so zu „Chef-Hackern der Republik“, argumentierten die prominenten Grünen. Die Online-Durchsuchung ermögliche die Manipulation und Ausspähung von Handys und Computern und schwäche massiv die IT-Infrastruktur so Ströbele und von Notz damals.

Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, werden ihre Parteifreund*innen im hessischen Landtag schon bald den Landesverfassungsschutz genau dazu ermächtigen: Staatstrojaner einzusetzen und aus Computern und Smartphones private und intime Daten auszulesen. Das nämlich sieht der Gesetzentwurf vor, den das schwarz-grüne Regierungsbündnis bereits in den hessischen Landtag eingebracht hat. Das Regierungsbündnis erhielt für das Vorhaben den Big-Brother-Award, den Negativpreis der Datenschützer.

Noch allerdings regt sich Widerstand. Bei der Anhörung im Landtag hatten zahlreiche Verfassungsrechtler Bedenken angemeldet. Der hessische Datenschutzbeauftragte Michael Ronellenfitsch etwa hatte sein „Unbehagen“ erklärt. Statt Sicherheitslücken im System offenzulegen und wo möglich zu schließen, behalte der Staat die Lücke für sich und nutzte sie. Das widerspreche den Sicherheitsinteressen der Nutzer und auch des Staates, sagte Ronellenfitsch der taz. Der Chaos Computer Club hatte in der Landtagsanhörung zu Protokoll gegeben, mit staatlicher Schadsoftware werde die IT-Sicherheit „strukturell unterminiert“.

Wenn die Schadsoftware abhanden komme oder auf einem Rechner entdeckt werde, sei „der Weg vom staatlichen zum kriminellen Trojaner kurz“. Anders als bei der Überwachung von Telefongesprächen dringt die „Quellen TKÜ“ in Computer und Smartphones ein und erlaubt auch das Auslesen von Entwürfen und Konzepten, die die Privatsphäre noch nicht verlassen haben. Auch die Regelungen des Gesetzentwurfs zum Einsatz von V-Leuten und die Zulassung der Regelanfragen an den Verfassungsschutz bei der Einstellung neuer Mitarbeiter*innen des Landes sind nach wie vor umstritten.

Den Grünen bleibt nicht viel Zeit

Immerhin hat ein sich auch ein Landesparteitag der grünen Regierungspartei Ende April mit klarer Mehrheit gegen den „Hessentrojaner“ gestellt. Der für Innenpolitik und Datenschutz zuständige Landtagsabgeordnete, Jürgen Frömmrich, wurde bei der Listenaufstellung kräftig abgestraft. Frömmrich landete nach zwei erfolglosen Kampfkandidaturen auf Platz 12 der Liste, für den langjährigen Spitzenpolitiker und Fraktionsgeschäftsführer eine ziemliche Schlappe. Zuvor hatte er der grünen Basis versprochen, mit dem Koalitionspartner CDU Nachbesserungen zu verhandeln. Passiert ist bisher nichts.

Innenminister Peter Beuth (CDU) hatte stets argumentiert, auf den Staatstrojaner könne nicht verzichtet werden, weil nur so Terroranschläge zu verhindern seien, die mit Smartphones gesteuert würden. Die heiklen Gespräche zwischen den Koalitionspartnern finden naturgemäß hinter verschlossenen Türen statt. Zum Stand der Verhandlungen erklärte der Sprecher der grünen Landtagsfraktion der taz lediglich: „Wir sind auf einem guten Weg“. Vor der Sommerpause tritt der hessische Landtag nur noch dreimal zu einer Plenarwoche zusammen. Den Grünen bleibt nicht mehr viel Zeit, den „Hessentrojaner“, dem sie zunächst zugestimmt hatten, doch noch zu verhindern.

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