Stadt Göttingen zockt Bettler ab: Wegen Bettelns Stütze gekürzt

Das Göttinger Sozialamt zählte die Einkünfte eines Bettlers. Anhand der Summe rechneten die Beamten den unzulässigen Zuverdienst hoch. Der Bettler muss nun mit weniger Stütze klar kommen.

In Göttingen keine gute Idee, denn dort gilt: Bloß nicht betteln, sonst nix mit Staatsknete. Bild: dpa

Die Stadt Göttingen hat einem Sozialhilfeempfänger die Unterstützung gekürzt, nachdem er sich durch Betteln Geld dazuverdient hat. Die Stadt bestätigte am Freitag den Vorgang, sprach aber von einem Einzelfall. "Wenn die Verwaltung Kenntnis von zusätzlichen Einkünften von Leistungsempfängern erhält, muss dieses zusätzliche Einkommen auf die Leistungen angerechnet werden", schreibt die Stadt in einer Stellungnahme. So schreibe es das Sozialgesetzbuch vor.

Ein Mitarbeiter der Behörde hatte zuvor den Sozialhilfeempfänger Anfang Januar zweimal beim Betteln in der Fußgängerzone beobachtet und das erbettelte Geld gezählt. Einmal kam er dabei auf 1,40 Euro, ein weiteres Mal auf 6 Euro. Das Amt rechnete in der Folge die Einnahmen hoch und kündigte in einem Bescheid vom Januar an, die Leistungen im folgenden Monat um 120 Euro zu kürzen. Nach einem Widerspruch des Mannes, in dem er nach Auskunft der Stadt "freiwillig unter anwaltlicher Beratung Angaben zu seinen zusätzlichen Einkünften aus Bettelei" gemacht hat, reduzierte das Sozialamt die Kürzung auf 50 Euro.

Als "grotesk und rechtlich bedenklich" bezeichnete Gerd Nier von der Linkspartei in Göttingen den Vorfall. In Zeiten, in denen über Schutzschirme für Banken und Wirtschaftsunternehmen diskutiert werde und Milliardenbeträge nur so sprudelten, werde "bei den wirklich bedürftigen Menschen um jeden Cent einer möglichen Einsparung gefeilscht".

Lothar Richter, Gewerkschaftssekretär bei Ver.di Göttingen, kritisierte vor allem eine mangelnde Kommunikation von Seiten des Sozialamtes. "Man hätte im Vorfeld mit dem Menschen über die Konsequenzen der Bettelei reden müssen." Aber so sei die Vorgehensweise "daneben". Er könne sich auch vorstellen, dass ein Präzedenzfall geschaffen werden solle.

Die Stadt verteidigte in ihrer Stellungnahme das Vorgehen des Sozialamtes. Zwar werde nicht gezielt nach Einkünften aus Bettelei gefahndet, in dem vorliegenden Fall handle es sich allerdings um eine "Zufallsbegegnung". Der Mitarbeiter sei dieser pflichtgemäß nachgegangen, ihm sei folglich kein Vorwurf zu machen.

Das niedersächsische Sozialministerium kritisierte das Verhalten des Amtes dennoch. Hier werde mit Kanonen auf Spatzen geschossen, sagte Ministeriumssprecher Thomas Spieker. Da davon auszugehen sei, dass es sich um kleine Summen handele, die in "Notsituationen erbeten" worden seien, halte der die Reaktion für "völlig überzogen". Schließlich solle es grundsätzlich bei freiwilligen Zuwendungen von bis zu 50 Euro keine Kürzungen geben, so Spieker mit Verweis auf einen Hinweis des Ministeriums an die Sozialämter. Sonst müssten auch Geldgeschenke, beispielsweise zur Kommunion, ebenfalls angerechnet werden. Das Ministerium habe einen Bericht über den Vorfall angefordert, mit dem in der kommenden Woche gerechnet werde.

(mit dpa)

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