Stadtentwicklung in Bremen: Baugemeinschaften sind sauer

Indem es Grundstücke in Walle als Ganzes an einen Investor vertickt, verletzt Lohse-Ressort Absprachen und verhindert alternative Wohnprojekte

Ein Bauprojekt ganz ohne Stress? Per Fertighaus das Umland zersiedeln. Foto: dpa und

BREMEN taz | Für Irritation sorgt die Ankündigung des Bausenators (taz berichtete), die Grundstücke auf dem Dedesdorfer Platz in Walle im Stück an einen Investor zu verkaufen. „Diesen Sinneswandel verstehe ich nicht, uns wurde das bisher anders dargestellt“, sagt dazu Gerald Wagner (SPD), Vorsitzender des Fachausschusses „Quartiersentwicklung“ im Beirat Walle. „Das ist zum wiederholten Male passiert, dass die Behörde etwas anders entscheidet als abgesprochen war“, sagt Wagner. „Ich verstehe, wenn sich Leute über den Tisch gezogen fühlen.“

Der Fachausschuss beschäftigt sich ausschließlich mit der Entwicklung der ehemaligen Sportfläche. Seit sechs Jahren wird im Stadtteil darüber diskutiert, ob und wie dieser bebaut wird. Zuletzt hatte es eine Einigung gegeben, nur Randflächen des Geländes zu bebauen. Diese sollten in Teilen exklusiv für Baugemeinschaften ausgeschrieben werden. „Nicht im ‚Block‘, sondern als Einzelgrundstücke.“ So sieht es ein Beschluss des Fachausschuss vom 20. Juli 2015 vor. Der begrüßt darin eine Vergabe des „überwiegenden Teils der Grundstücke an Baugemeinschaften“, weil er sich davon „positive Effekte“ verspricht: „Kleinteiligkeit, Vielfalt, soziales Engagement und nachbarschaftliche Impulse“.

Seitdem warten die Baugemeinschaften auf die Ausschreibung der Flächen, die ursprünglich für Herbst 2015 angekündigt worden war und sich jetzt um mindestens zwei Jahre verzögern wird.

Eine von ihnen ist der Verein „Solidarisch wohnen“, der ein Haus plant für derzeit 23 Erwachsene und sechs Kinder, die in Wohngemeinschaften, Single-, Paar- und Familienwohnungen leben wollen. Gerade gründen die Mitglieder eine GmbH nach dem Modell des Mietshäuser-Syndikats, das die Spekulation mit Immobilien unmöglich macht und zum Ziel hat, langfristig günstige Mieten zu sichern.

Davon, dass sie ihr Grundstück von einem Investor kaufen sollen, haben sie aus der taz erfahren, erzählt Jan Rettig von „Solidarisch wohnen“. „Wir konnten das erst gar nicht glauben“, erzählt er, deshalb hätten sie sich dies selbst noch einmal vom Bausenator bestätigen lassen. Als Grund gibt dieser eine Arbeitserleichterung für die Verwaltung an.

Nicht wiederholen soll sich dabei nach Auskunft des Sprechers der Baubehörde, Jens Tittmann, dass der Investor Preis und Bedingungen diktiert wie in Schwachhausen.

Dort konnten sich nur solche Baugemeinschaften an der Ausschreibung beteiligen, die sich als Eigentümergemeinschaft organisieren, als Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Das schließt diejenigen aus, die finanzielle Unterschiede zwischen den Parteien ausgleichen wollen und damit Leuten mit niedrigem Einkommen ein Leben im Wohnprojekt ermöglichen wollen.

Gerald Wagner (SPD), Vorsitzender des Fachausschusses „Quartiersentwicklung“ im Beirat Walle

„Uns wurde das bisher anders dargestellt“

Wie viele Baugemeinschaften auf dem Dedesdorfer Platz zum Zuge kommen können, ist offen. Ausgeschrieben werden vier Flächen, auf denen nach einem Entwurf für den Bebauungsplan Wohnraum in Höhe von maximal 6.500 Quadratmetern entstehen soll.

Warum der Bebauungsplan immer noch nicht fertig ist, weiß auch der Stadtteilpolitiker Wagner nicht. „Wir fragen regelmäßig nach und meistens heißt es, dass die Behörde überlastet sei.“ Baugemeinschaften haben es in Bremen schwer, überhaupt an Grundstücke heranzukommen – trotz des erklärten Willens von SPD und Grünen, alternative Wohnformen zu fördern.

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