Stadtmagazin setzt auf Werbeeinnahmen: London für lau

Das Stadtmagazin „Time Out“ wird ab Herbst in der britischen Hauptstadt gratis ausliegen. Die Macher erhoffen sich dadurch mehr Werbung.

Die Storys des Londoner Stadtmagazins „Time Out“ gibt es demnächst kostenlos. Bild: dpa

LONDON taz | Die Münze, die 1968 für Londons Stadtmagazin Time Out aus dem Portemonnaie gekramt werden musste, ist in Großbritannien längst abgeschafft: Ein Schilling (zwölf Pence) kostete die Mutter aller Stadtmagazine damals. Heute sind es 3,25 Pfund. Doch auch dieser Preis wird bald Vergangenheit sein.

Ab Herbst wird Time Out kostenlos verteilt. 300.000 Exemplare werden dann in Bahnhöfen, Wirtshäusern, Restaurants und Museen ausliegen. Abonnenten müssen lediglich die Zustellgebühr zahlen.

Durch die erhöhte Verbreitung des Blattes erhofft sich der Besitzer Tony Elliott noch mehr Werbung, sie soll dann einen Anteil von mindestens 40 Prozent – statt bisher rund einem Drittel –des Inhalts ausmachen. Das neue Konzept passe zur Strategie des Verlags mit kostenlosen Apps für iPhone, iPad und Androids, sagt Chefredakteur Tim Arthur.

Bei ihrer Gründung 1968 lag die Auflage von Time Out bei 5.000 Stück, es folgte ein rasanter Anstieg, der in den 1990er-Jahren seinen Gipfel erreichte: 110.000 Stück wurden jede Woche verkauft. Heute liegt die Auflage bei der Hälfte. Der Rest geht an Abonnenten. Die Konkurrenz durch andere, kostenlose Stadtmagazine ist stärker geworden, und die Veranstaltungshinweise in den Tageszeitungen sind recht umfangreich und dazu aktueller.

Time Out begann als Kollektiv, das Magazin war Teil der Alternativpresse. 1980 war es damit vorbei, Gründer Tony Elliott führte Chefstrukturen ein, der Einheitslohn wurde abgeschafft. Vor zwei Jahren verkaufte Elliott 50 Prozent der Anteile an die private Kapitalgesellschaft Oakley Capital Investments. Mit dem Erlös reduzierte er die Schulden des Blattes und weitete die Online-Präsenz aus.

Neues Konzept seit Jahren geplant

Von der ehemaligen Radikalität des Magazins ist nicht viel übrig geblieben. 1976 hatte Time Out zum Beispiel die Namen von 60 CIA-Agenten veröffentlicht, die in England operierten. Inzwischen sind die Artikel seicht, in der aktuellen Ausgabe Nummer 2.189 geht’s auf einer Doppelseite um die neue Spielzeugabteilung des Nobelkaufhauses Harrods, es werden modische Accessoires vorgestellt und ausführlich wird das Londoner Modelabel „Folk“ angepriesen. Im Grunde wirkt das Magazin heute schon wie ein kostenloses Werbeblatt.

Tim Arthur bestreitet, dass das neue Umsonstkonzept etwas mit der sinkenden Auflage zu tun hat. Ebenso wenig habe Oakley Capital darauf hingewirkt. „Das Magazin wirft nach wie vor Profit ab“, sagt Arthur. „Wir haben seit Jahren über die Abschaffung des Preises nachgedacht, und jetzt scheint der richtige Zeitpunkt.“

Die Tageszeitung London Evening Standard ist vor drei Jahren denselben Weg gegangen und ist damit recht erfolgreich – so erfolgreich, dass in Londons U-Bahnen Schilder aufgehängt wurden, auf denen darum gebeten wird, die Zeitungen mitzunehmen und in den dafür vorgesehenen Körben zu entsorgen, weil sie sonst die Türen blockieren könnten.

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