Stadtsoziologin über Lebensgefühle: „Münchner rennen nicht“

Der Berliner läuft der U-Bahn auch mal hinterher. Die Münchnerin hat weniger Eile. Lässt sich alles erklären, sagt die Stadtsoziologin Martina Löw.

Sieht fast ein wenig eilig aus, was sich hier in der Münchner U-Bahn abspielt. Ist aber alles eher relaxt, stadtsoziologisch betrachtet. Bild: dpa

Die Städte, heißt es allerorts, verlieren durch die Globalisierung ihre Eigenart. Die Stadtforscherin Martina Löw betont dagegen die Eigenlogik der Städte. Man dürfe, so Löw im sonntaz-Gespräch, die Einkaufsstraßen mit ihren globalen Handelsketten nicht mit der Stadt verwechseln. Jenseits dieser Straßen merke man zum Beispiel am Kleidungsstil sofort, ob man gerade in Frankfurt oder Berlin ist.

Martina Löw, 1965 in Würzburg geboren, ist seit 2002 Professorin für Soziologie an der TU Darmstadt mit dem Arbeitsschwerpunkt der raumbezogenen Gesellschaftsanalyse. Im Jahr 2000 erhielt sie den Christian-Wolff-Preis für das bisherige Werk, insbesondere für ihre Habilitationsschrift zur Raumsoziologie. Seit 2011 ist sie Vorsitzende der Gesellschaft für Soziologie.

Zu ihren neuesten Forschungsansätzen zählt die Analyse städtischer Eigenlogik. Jede Großstadt habe, erläutert Martina Löw in ihrer Dachgeschosswohnung im Frankfurter Nordend, eine eigene Schrittgeschwindigkeit. „In München rennen die Bewohner der U-Bahn weniger hinterher als in Berlin, obwohl in Berlin die U-Bahn in einem viel schnelleren Minutentakt fährt.“

Das habe etwas mit der Selbstwahrnehmung der Berliner als schnelle Großstadt zu tun. Die Eigenlogik der Stadt schreibe sich durch die Kleidungswahl auf und durch die Schrittgeschwindigkeit in die Körper ihrer Bewohner ein.

Die Städte kämpfen global um Touristen, Bewohner und hoch qualifizierte Arbeitnehmer. Martina Löw bezeichnet dies als einen „Kampf der Bilder“. München verkauft sich als Großstadt mit Herz, bei der man im Hintergrund immer die Berge sieht. Frankfurt schmückt sich mit einer Kombination aus alt und modern – vorne die alten Fachwerkhäuser und dahinter die Hochhäuser des Bankenviertels. Politiker und Stadtplaner inszenieren im medial geführten Konkurrenzkampf ihre Stadt. Deswegen, sagt Martina Löw im sonntaz-Gespräch, kämpfen die Städte auch um den Tatort, denn dort können sie sich, ganz ohne Werbekosten, einer sehr breiten Öffentlichkeit präsentieren.

Eine andere Frage sei, wer in Zukunft über städtebauliche Maßnahmen entscheide. Wem gehören die Innenstädte? Die Frage der politischen Repräsentation stehe neu zur Disposition. Dies könne man an Großprojekten wie der Elbphilharmonie in Hamburg oder Stuttgart 21 sehen. Sind Politiker und Architekten überhaupt noch legitimiert, im öffentlichen Interesse zu bauen? „Die Bürger,“ sagt Martina Löw, „wollen einbezogen werden, wollen über die Zukunft ihrer Stadt mitbestimmen.“

Warum Martina Löw Gentrifizierung nicht unbedingt schlimm findet und wie sie sich die Stadt der Zukunft vorstellt, lesen Sie in der sonntaz vom 19./20. Januar 2013. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

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