Stark steigende Lobbyausgaben: Tech-Konzerne geben Rekordsumme für Lobbying in der EU aus
Innerhalb von zwei Jahren hat die Branche ihre Ausgaben für Lobbyarbeit stark gesteigert. Und das zu einem kritischen Zeitpunkt.
Die Ausgaben der Tech-Industrie für Lobbyarbeit in der EU sind in den vergangenen zwei Jahren deutlich gestiegen und haben einen neuen Höchststand erreicht. Einer Untersuchung zufolge gibt die Branche mittlerweile jährlich 151 Millionen Euro für ihre EU-Lobbyarbeit aus. Das ist ein Anstieg um 33,6 Prozent seit 2023, teilten die NGOs Lobbycontrol und Corporate Europe Observatory mit, die die Erhebung durchgeführt haben.
Die beiden Organisationen haben die Lobbyausgaben bereits zum dritten Mal ermittelt, jeweils im Abstand von zwei Jahren. 2001 lagen die Ausgaben noch bei 97 Millionen Euro. Quelle für die Untersuchung ist das europäische Transparenzregister. Dort geben die Unternehmen die jeweiligen Zahlen allerdings nicht exakt an, sondern in Stufen. Die NGOs haben sich daher für eine konservative Berechnung entschieden: Eingeflossen ist jeweils der niedrigste Wert der angegebenen Stufe. Nur bei der untersten Stufe von 0 bis 10.000 Euro fand die Mitte, also 5.000 Euro, Eingang in die Berechnung.
An der Spitze liegt demzufolge Meta mit einer Jahresausgabe von 10 Millionen Euro für EU-Lobbyarbeit. Insgesamt seien 10 Konzerne für rund ein Drittel der gesamten Ausgaben verantwortlich. Auf Platz zwei landeten mit einer Summe von jeweils 7 Millionen Euro Microsoft, Apple und Amazon. „Unsere Analyse zeigt: Big Tech investiert Rekordsummen, um europäische Digitalregeln zu verwässern – gerade jetzt, wo diese Regeln wichtiger sind denn je“, kritisiert Felix Duffy von Lobbycontrol.
Die Branche setze mittlerweile mehr Lobbyist:innen ein, als es Abgeordnete im EU-Parlament gibt: Personal auf umgerechnet 890 Vollzeitstellen lobbyiere für die Tech-Industrie. Im EU-Parlament sitzen 720 Abgeordnete. „Dieses systematische Lobbying untergräbt eine demokratische Digitalpolitik“, kritisiert Duffy. Statt die Digitalregeln zu schwächen, müsse die EU sie konsequent umsetzen.
EU öffnet Tür und Tor für Big Tech
Tatsächlich geht es eher in die gegenteilige Richtung. Zwar hat die EU große Digitalgesetze auf den Weg gebracht: zum Beispiel den Digital Services Act, der das Vorgehen gegen illegale Inhalte auf Plattformen verbessern soll, die EU-Verordnung zu künstlicher Intelligenz oder den Digital Markets Act, der die Marktmacht großer Konzerne begrenzen soll. Doch in jüngster Zeit steht vor allem eine Deregulierung im Fokus. So kündigte die EU-Kommission im September an, die Vorschriften im Digitalbereich „vereinfachen“ zu wollen.
„Wir müssen die Unternehmenstätigkeit in Europa erleichtern, ohne unsere hohen Standards für Fairness und Sicherheit im Internet zu schmälern“, sagte Henna Virkkunen, EU-Vizepräsidentin für technologische Souveränität, Sicherheit und Demokratie. Parallel dazu versucht US-Präsident Trump Druck, die Regeln zu schwächen – und droht andernfalls mit weiteren Zöllen.
Bram Vranken von Corporate Europe Observatory sieht die Entwicklungen kritisch: „Ursula von der Leyens Deregulierungsagenda öffnet Big Tech Tür und Tor – und gefährdet jahrelange Fortschritte bei der Regulierung schädlicher KI-Systeme, beim Datenschutz und beim Eindämmen der Monopolmacht von Big Tech.“ Die Politik dürfe sich nicht mächtigen Konzerninteressen beugen.
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