Starke Frauen gegen das Patriarchat: Der Kontext entscheidet, wer verliert

Brett Kavanaugh in den USA, Sigi Maurer in Österreich – verkrustete Strukturen gibt es immer noch, trotz einem Jahr #MeToo-Debatte.

Drei Frauen protestieren vor dem Capitol in Washington. Ihre Münder sind mit Klebeband zugeklebt

Still, aber stark. Proteste nach der Bennenung Kavanaughs Foto: reuters

Donald Trump fand deutliche Worte: „Im Namen unserer Nation möchte ich mich bei Brett und der Familie Kavanaugh für den schlimmen Schmerz und das Leid entschuldigen, das ihr durchmachen musstet.“ Mit diesen Worten hat der US-Präsident am Montagabend Brett Kavanaugh als Richter am US-Supreme Court vereidigt. Jenen Mann, dem mehrere Frauen sexuelle Übergriffe vorgeworfen hatten und der dennoch am vergangenen Wochenende mit knapper Mehrheit als Richter bestätigt worden war.

Über den Schmerz und das Leid, das Christin Blasey Ford durchgemacht hat, verlor Donald Trump kein Wort. Dafür wiederholte er noch einmal, die Anschuldigungen gegen Kavanaugh seien eine erlogene politisch motivierte Kampagne gewesen. Die Psychologie-Professorin Blasey Ford hatte ihre Vorwürfe gegen Kavanaugh öffentlich gemacht und wurde wie er im Senat angehört. Viele glaubten ihr. Trotzdem ist Kavanaugh jetzt Richter am Obersten Gerichtshof und Blasey Ford gebrandmarkt. Sie erhält so viele Morddrohungen, dass sie untertauchen musste und nicht nach Hause zurückkehren kann.

Gleichzeitig in Österreich. Sigi Maurer, eine ehemalige grüne Politikerin, war angeklagt wegen übler Nachrede und Kreditschädigung. Ihr Vergehen: Sie hatte herabwürdigende und anzügliche Nachrichten veröffentlicht, die ihr vom Facebook-Konto eines Bierladenbesitzers geschickt worden waren. „Hallo, du bist heute bei mir beim Geschäft vorbeigegangen und hast auf meinen Schwanz geguckt, als wolltest du ihn essen“, heißt es darin. Der Wirt sagte aus, er wisse nicht, wer die Nachrichten von seinem Computer verschickt habe. Der Richter sagte in der Urteilsbegründung laut österreichischer Medien, er sei überzeugt, dass der Kläger lüge. Trotzdem wurde Maurer verurteilt. 3.000 Euro Strafe und 4.000 Euro Entschädigung an den Wirt.

Das Schema ist in beiden Fällen einfach: Männer kehren das Täter-Opfer-Verhältnis um. Trump, ein Meister dieses Fachs, der sich bei Kavanaugh „für das Leid“ entschuldigt. Der Wirt, der Maurer der üblen Nachrede bezichtigt. Maurer und Blasey Ford sind zwei selbstbewusste Frauen, die ihre Positionen glaubhaft vertreten und dadurch viele von ihrer Version der Geschichte überzeugt haben. Und trotzdem stehen sie am Ende als Verliererinnen da.

Weiter kämpfen ist die einzige Möglichkeit

Die Sensibilisierung für sexuelle Belästigung die #MeToo ausgelöst hat, scheint bei keinem der Männer angekommen zu sein. Oder – noch schlimmer – die neuen Regeln scheinen für sie nicht zu gelten. Kavanaugh kann oberster Richter werden, weil über ihm Männer stehen, denen die #MeToo-Debatte egal ist. Denn obwohl Blasey Ford von vielen Seiten für ihren gefassten Auftritt gelobt wurde: Am Ende war es egal, wer recht hat. Ihre Vorwürfe wurden angesehen, aber für nicht wichtig genug befunden. Sie können wahr sein oder nicht – für seine Karriere spielt das keine Rolle.

Sigi Maurers Verurteilung zeigt ebenfalls, woran es ein Jahr nach dem Beginn der #MeToo-Debatte noch fehlt: an juristischen Möglichkeiten, gegen sexuelle Belästigung vorzugehen. Die Nachrichten, die sie erhielt, waren nicht justiziabel. Um ein Urteil gegen den Ladenbesitzer zu erwirken, hätte Maurer beweisen müssen, dass die abwertenden Nachrichten wirklich von ihm stammen. Das konnte sie nicht bis ins letzte Detail. Am Ende des Prozesses stand deshalb sie als Täterin.

Maurer hat Berufung gegen das Urteil angekündigt. Auf Twitter schrieb sie: „Bis nach Straßburg, wenn es sein muss.“

Diesen Kampfesgeist braucht es auch, trotz einem Jahr hitziger #MeToo-Debatte. Denn das Schlimmste, was der Bewegung passieren kann, ist, dass alle den Frauen zuhören, verständnisvoll nicken und dann weitermachen wie zuvor.

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