Start der Deutschen Eishockey-Liga: Im Osten etwas Neues
Mit den Dresdner Eislöwen gibt es endlich einen zweiten Ostverein. Bei den Sachsen ist der Etat klein, die Nachwuchsarbeit allerdings vorbildlich.

In der Deutschen Eishockey-Liga, genannt DEL, sind die Dresdner Eislöwen noch neu. Sie wissen aber schon, dass in der höchsten Spielklasse zum guten Ton gehört, wichtig klingende sportliche Weisheiten von sich zu geben – wie es in Kanada üblich ist, im Mutterland des schnellen Kufensports. Und so floskelte Dresdens Geschäftsführer Maik Walsdorf, befragt nach den Aussichten der Dresdner in der DEL, es sei entscheidend, „nicht zu hoch zu fliegen, wenn wir gewinnen, nicht zu tief zu fallen, wenn wir verlieren“. Oder wie die Kanadier sagen: „Never get too high with the wins, never get too low with the losses.“ Yes!
Matthias Roos, Dresdner Sportmanager
Der Aufsteiger aus Sachsen ist gekommen, um in der DEL zu bleiben, um eine feste Größe im deutschen Profi-Eishockey zu werden. Sehr bald schon wird es zum ersten Mal ernst: Am Dienstag um 19.30 Uhr bestreiten die Dresdner in Berlin das Auftaktspiel der DEL-Saison 2025/26 gegen den Serienmeister Eisbären Berlin – vor 14.200 Zuschauern in der ausverkauften Arena am Ostbahnhof. Etwa 3.000 Fans aus Dresden werden erwartet. „Gerade im ersten Spiel wird es die größte Herausforderung, beim Tempo mitzuhalten“, meinte Walsdorf. Aber warum sollten die eisigen Löwen, benannt nach dem sächsischen Wappentier, den Champion nicht überraschen?
Wenn man sich in der Liga durchfragt, unter Spielern, Trainern und Funktionären, dann hört man vor allem vorfreudige Kommentare: Dresden sei ein wunderbarer Eishockeystandort, endlich sei ein zweiter Ostklub neben den Eisbären dabei, außerdem eine Mannschaft mit Erfahrung und Potenzial. Der Aufstieg der Eislöwen hat auch eine historische Dimension: Zum ersten Mal seit 1996 ist wieder ein sächsisches Team in der DEL vertreten. Die Spielgemeinschaft ESG Füchse Sachsen Weißwasser/Chemnitz gehörte 1994 zu den Gründungsmitgliedern der Liga, zog sich nach zwei Spielzeiten aber aus finanziellen Gründen zurück.
Die Dresdner wollen es besser machen. Neun neue Profis haben sie für das Abenteuer DEL verpflichtet, allesamt erfahrene Männer, einige sogar Veteranen ihres Sports. „Das Hauptaugenmerk lag darauf, eine erfahrene Mannschaft zu bekommen. Im Idealfall Spieler, die die Liga bereits kennen“, berichtete Eislöwen-Sportmanager Matthias Roos. Spötter aber behaupten, er habe in erster Linie Profis verpflichtet, die sonst niemand wollte. Denn Roos konnte erst Anfang Mai zuschlagen, als der Dresdner Aufstieg perfekt war, die Kader der anderen Klubs aber längst komplett und die begehrtesten Profis somit vergriffen waren.
„Viel schöner als Bayern“
Trotzdem kamen in Dresden Akteure von Rang und Namen zusammen, vor denen der Rest der Liga Respekt hat. Zum Beispiel Stürmer Austin Ortega (31), der unter anderem in Berlin und Mannheim aufs Eis ging. Oder der slowakische Torhüter Július Hudáček (37), der im Frühjahr mit den Kölner Haien im Play-off-Finale spielte – und nicht nur mit Reflexen, sondern auch mit Tänzen auf dem Eis für Furore sorgte. Oder Angreifer Trevor Parkes, der sieben Jahre bei Red Bull München aktiv war und bei der Saisoneröffnungsfeier, wie die Dresdner Neueste Nachrichten berichteten, für einen Lacher sorgte, als er feststellte: „Dresden ist viel schöner als Bayern.“
Zudem ist der schwedische Aufstiegstrainer Niklas Sundblad (52) in der sächsischen Metropole geblieben – er hat bis 2027 unterschrieben. Und auch Kapitän Travis Turnbull (39) macht weiter. Den US-Profi und Sundblad verbindet eine glorreiche Vergangenheit: Anno 2014 wurden sie mit dem ERC Ingolstadt Meister, der damals von Tabellenplatz neun zum Titelgewinn stürmte. „Ich bin sehr zufrieden mit dem Kader und habe hohe Erwartungen“, sagte Sundblad – und fügte forsch hinzu: „Wir haben alle Möglichkeiten, gut mitzuspielen und die Play-offs zu erreichen.“
Dafür müssten die Dresdner nach den 52 Hauptrundenspieltagen mindestens Zehnter werden. Unmöglich ist das nicht: Die Löwen Frankfurt, der letzte Aufsteiger vor Dresden, schafften es 2022/23 in ihrer Premierensaison genau auf Rang zehn.
Allerdings sind Aufsteiger in der DEL, die lange Zeit eine geschlossene Gesellschaft war, noch immer eine Seltenheit. Erst seit 2020/21 gibt es wieder einen geregelten Auf- und Abstieg: Prinzipiell steigt der Letzte der DEL ab, während der Meister der DEL2 nachrückt. Allerdings nur dann, falls der Champion vorher die DEL-Lizenz beantragt hat und die von der Liga vorgegebenen Auflagen erfüllt.
Kleinste Halle der DEL
Dazu gehören eine Grundbürgschaft über 250.000 Euro und eine Eishalle, die gewissen Standards entspricht. Sie muss etwa einen Videowürfel haben und die nötigen Voraussetzungen für TV-Übertragungen bieten, zum Beispiel LED-Licht. Nach dem Aufstieg wird außerdem eine recht belastende Lizenzgebühr von 1,4 Millionen Euro fällig.
All dies kann Dresden bieten. Auch wenn die Halle mit einem Fassungsvermögen von 4.412 Zuschauern die kleinste der DEL ist. Sie soll demnächst ausgebaut und auf 6.000 Besucher erweitert werden. In der zweiten Liga erreichten die Eislöwen zuletzt in der Hauptrunde einen Schnitt von 3.661 Besuchern, in den Play-offs stieg der Wert auf 4.247. Und sie hoffen, dass sie dank der Aufstiegseuphorie letztere Zahl halten können. 2.000 Dauerkarten sind verkauft. „Um konkurrenzfähig zu sein, brauchen wir jeden Fan, jeden Partner. Wir müssen versuchen, in unserer Region als Gemeinschaft gegen die ganz Großen, gegen solche Gegner wie aus Köln, Mannheim oder Berlin anzukämpfen“, sprach Walsdorf unlängst zu den Fans.
Es dürfte dafür in Dresden eine gute Basis geben. Eishockey wurde dort schon am Anfang des 20. Jahrhunderts betrieben, bevor es jedoch in der DDR-Zeit empfindlich gebremst wurde. Denn 1970 beschlossen die Sportfunktionäre, dass Eishockey nicht förderungswürdig sei. Der Grund: Die Eishockeyausrüstungen – Schläger, Helme und so weiter – mussten importiert werden. Und das erachtete die DDR-Führung als zu kostspielig. Man investierte lieber in andere Sportarten, in denen Medaillen zu Ehren des Arbeiter- und Bauernstaates mit weniger Aufwand zu gewinnen waren.
Eishockey durfte fortan nur mit Ausnahmegenehmigung in Berlin bei Dynamo gespielt werden, heute Eisbären Berlin, und in Weißwasser. Diese beiden Polizeisportvereine traten fortan regelmäßig gegeneinander um die DDR-Meisterschaft an – was naturgemäß eine eintönige Angelegenheit war.
Bestnote für die Nachwuchsarbeit
In Dresden wurde Eishockey 1990, gleich nach der Wende, wiederbelebt und fand danach über all die Jahre meist in der Oberliga, später in der zweiten Liga statt. Auch der Juniorenbereich lebt und wird mit Ehrgeiz betrieben: Die Dresdner bekamen vom Deutschen Eishockey-Bund zuletzt eine Fünf-Sterne-Plus-Bewertung verliehen, die Bestnote für vorbildliche Nachwuchsarbeit. Außer ihnen wurden nur Berlin, Mannheim und Köln so prämiert. Kein Wunder also, dass die Dresdner sich auch bei den Profis mit den großen Vereinen messen wollen.
2024 nahmen sie den Aufstieg ins Visier. Und zwar nach einer sehr schwachen Saison in der DEL2, in der die Eislöwen nur 13. wurden. Allen war klar: Die Schmach sollte sich nicht wiederholen. Und so schaffte es der Verein, dank erhöhter Investitionen seitens der Vereinsgesellschafter und neuer Sponsoren, den Etat um etwa 20 Prozent auf 4,5 Millionen Euro zu steigern, die DEL-Lizenz zu beantragen – und eine Mannschaft aufs Eis zu stellen, die die Saison auf Platz vier abschloss und das Play-off-Finale gegen Ravensburg in sieben Spielen gewann.
Dank der Geldgeber der DEL, TV-Partner und weiterer Sponsoren, beläuft sich der Eislöwen-Etat nun auf etwa acht Millionen Euro – eine im DEL-Vergleich eher bescheidene Zahl. Man kann davon ausgehen, dass Spitzenvereine wie Berlin oder Mannheim mit mindestens der dreifachen Summe planen können. Manager Roos meinte: „Ich wäre überrascht, wenn wir nicht den niedrigsten Etat der Liga hätten. Denn ich weiß ja, was andere Vereine für ihre Spieler zahlen, da hängen wir deutlich hinterher.“ Oder anders ausgedrückt: Bei aller Forschheit muss auch ein bisschen Understatement sein.
Ihr erstes Heimspiel in der DEL absolvieren die Eislöwen am 14. September gegen Ingolstadt. Und am 10. Januar wird es in Dresden ein besonderes Eishockeyereignis geben: das Winter Game 2026 zwischen den Eislöwen Dresden und den Eisbären Berlin – ein Ostderby auf Eis in der Fußballarena, dem Rudolf-Harbig-Stadion. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg, viel Eishockey muss gespielt werden. Es gilt eine alte kanadische Weisheit: „One game at a time“ – von Spiel zu Spiel denken.
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