Stereotype Frauentypen im Hollywoodfilm: Der Karriere-Check

Berufstätige Frauen erfüllen in Filmen oft Klischees – das muss sich ändern. Welche Karrieretypen feministisches Potenzial haben und welche nicht.

Meryl Streep

Meryl Streep spielt in „Der Teufel trägt Prada“ die Chefin eines Modemagazins Foto: imago/EntertainmentPictures

Das Berufsleben von Frauen ist in Hollywoodfilmen oft nebensächlich. Statt Pläne am Konferenztisch machen sie Pilates. Statt über Gehalt sprechen sie über ihr letztes Date. In den 100 erfolgreichsten Filmen von 2017, so eine Studie von „Women and Hollywood“, verfolgen nur 34 Prozent der Frauen Ziele bei der Arbeit. Fast doppelt so oft wie Männer haben Filmfrauen hingegen Ziele im Privatleben. Kaum erzählt werden deshalb Geschichten über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder über den Umgang mit patriarchalen Karrierestrukturen.

Hollywoodfilme sind auch auf deutschen Leinwänden präsent. Die Filme bestimmen – zu einem nicht unerheblichen Teil – unseren Blick auf die Welt. Schon deshalb müssten berufstätige Frauen gezeigt werden. Doch auch die Filmbranche selbst spiegelt diese Unverhältnismäßigkeit wider: Das Center for the Study of Women in Television and Film an der San Diego State University untersucht seit zwanzig Jahren, wie viele Filmjobs, von der Regisseurin bis zur Cutterin, mit Frauen besetzt werden. Das Resultat: 1998 lag der Anteil von Frauen hinter der Kamera bei den Top-250-Filmen gerade mal bei 17 Prozent. 2017, knapp zwei Jahrzehnte später, sind es 18 Prozent.

Das führt oft dazu, dass berufstätige Frauen, wenn sie denn vorkommen, nicht als komplexe Charaktere, sondern als einfach zu erzählende, flache Typen dargestellt werden. Wir befragen die vier häufigsten berufstätigen Frauenprototypen im Hollywoodfilm nach ihrem emanzipatorischen Potenzial.

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Die Romcom-Frau

Jennifer Aniston sitzt in einem Auto, in dem viele Blumen stehen

Jennifer Aniston in der Romcom „Love Happens“ Foto: imago/Zuma Press

Der Typ

In den 90ern war es Meg Ryan, in den Nullerjahren Jennifer Aniston, heute gibt es so viele „Romcoms“ (kurz für „Romantic Comedy“), dass man Dutzende Namen aufführen könnte. Zu den Berufen, die Frauen in romantischen Komödien haben, gehören Grundschullehrerin, Floristin, Galeristin, Designerin, Journalistin bei einem Klatschmagazin – oder sie haben eine kleine Konditorei.

Das Prinzip

Nichts gegen Kuchen! Aber die Plots benutzen diese Berufe bewusst, um weibliche Stereotype zu reproduzieren. Sie sollen den Protagonistinnen etwas Nahbares und Unbedrohliches verleihen. Das entspricht nicht der Realität dieser Berufe. Aber so soll sich der männliche Held – und der Zuschauer – wohl leichter in sie verlieben können. Andere Jobs kommen kaum vor. Warum nicht mal eine Tischlerin, Steuerberaterin oder Physikerin als Heldin?

Das Problem

Man könnte jetzt sagen: So funktionieren Romcoms eben. Muss man die ernst nehmen? Nun ja. Frauen gehen in Deutschland häufiger ins Kino als Männer. Vor allem Mädchen und Frauen von 10 bis 29 Jahren. Kinos laden bei Ladysnights zu Sekt, Popcorn und Romcom ein. Zu den von Frauen am häufigsten gesehenen Filmen zählten im Jahr 2016 in Deutschland Liebesfilme wie „Bridget Jones’ Baby“ und „How to Be Single“.

Wie man es richtig macht?

Frauen sollten öfter das Drehbuch schreiben. Annie Mumolo zum Beispiel. Die US-Autorin schrieb das Skript zu erfolgreichen Romcoms „The Boss“ oder „Bad Moms“. Oder Aline Brosh McKenna, von der „Morning Glory“ und „Der Teufel trägt Prada“ stammen. An der Bandbreite von Berufen hapert es auch hier. Dafür gibt es laute, leise, selbstbewusste und zweifelnde, kurz vielschichtigere Protagonistinnen, die Karriere und Privates vereinen wollen. Witzig sind die Filme obendrein. Vielleicht wäre das gar ein neues Genre: „Careercom“.

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Die Karriere-Frau

Sandra Bullock kniet vor Ryan Reynolds auf der Straße

Karrierefrau Sandra Bullock in „Selbst ist die Braut“ Foto: imago/EntertainmentPictures

Der Typ

Die Bürotür geht auf, eine Frau mit Chanelkostüm und Aktentasche kommt herein – und ringsherum verstecken sich Menschen unter Tischen oder hinter Kopierern. So etwa bei Sandra Bullock in „Selbst ist die Braut“. Die Karrierefrau ist in vielen Hollywood-Filmen ein einsames Arschloch. Urlaub gibt es für sie nicht, nach der Arbeit läuft sie mindestens 20 Kilometer auf dem Laufband, besucht ihren Therapeuten oder trinkt allein ein Glas Wein in ihrer großen in Weiß, Schwarz und Metallic eingerichteten Wohnung. Sie ist Politikerin, Anwältin, Kommissarin oder Ärztin.

Das Prinzip

Die Karrierefrau braucht Hilfe – das denken zumindest die Drehbuchautoren. Die Protagonistin soll aufhören, Männer zu kopieren und zu ihrer weiblichen Seite zurückfinden. Denn eigentlich füllt der Job nur die Leerstelle in ihrem Privatleben. Sie trifft dann einen Mann, der ihr zeigt, wie viel Spaß das Leben macht, wenn sie mal lockerlässt. Oder die Karrierefrau bleibt, wie sie ist, und wird von Filmkritikern analysiert, so wie Jessica Chastain als Lobbyistin in „Die Erfindung der Wahrheit“: Wie kann eine Frau nur so sein?

Das Problem

Immer mehr Frauen wollen in Spitzenpositionen. Egal welchen Führungsstil – sympathisch oder Arschloch – Frauen wählen, sie haben Fragen, die sie in der Popkultur wiederfinden wollen. Wie argumentiere ich für meine Ziele? Wie verhandele ich über Gehalt? Wie funktioniert Empowerment unter Frauen? Wie wehre ich mich gegen Sexismus?

Wie man es richtig macht?

Beispiele sind rar. Whoopi Goldberg lieferte 1996 eines mit „Wer ist Mr. Cutty?“. Dort baut sie sich ihr eigenes Finanzunternehmen auf. Sie zeigt, wie Solidarität unter Frauen geht, und entlarvt Chauvi-Strukturen und Rassismus. Ansonsten finden sich gute Karriere-Serien bei Streaming-Anbietern: „The Bold Type“, „Mozart in the Jungle“, „Good Girls Revolt“ (leider abgesetzt), „Girlboss“ (leider auch abgesetzt).

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Die Biopic-Frau

Taraji P. Henson steht neben vielen Männer in Hemd und Krawatte

Taraji P. Henson in dem gelungenen Biopic „Hidden Figures“ Foto: Hopper Stone/FOX/picture alliance

Der Typ

Schreiben ist mein Leben („Geliebte Jane“)! Ich will Mode machen („Coco Chanel“)! Ein Land regieren, genau mein Ding („Victoria, die junge Königin“)! Biografische Filme mit weiblicher Hauptrolle spielen oft in einer Zeit, in der es Frauen noch viel schwerer hatten, sich beruflich zu verwirklichen. Es geht in diesen Geschichten also vor allem darum, dass Frauen mit ihren Fähigkeiten überhaupt erst Gehör finden müssen.

Das Prinzip

Die meisten biografischen Filme – kurz „Biopics“ – über berühmte Frauen zeigen talentierte Protagonistinnen. Doch auch das Biopic kommt selten ohne Liebesgeschichte aus. Nicht selten wird der Protagonistin ein Mentor an die Seite gestellt, und die Beziehung wird nach und nach zum Mittelpunkt des Plots. Bettszenen bei Geigenmusik und aus dem Off gelesene Schmachtbriefe inklusive.

Das Problem

Frauen in Geschichtsbüchern sind selten. Deshalb sollten gerade Filme und Serien das Potenzial dieser Plots nutzen. Denn auch Frauen haben erfunden, regiert, kreiert und damit Geld verdient. Warum nicht mal 90 Minuten lang zeigen, wie sich eine Frau in einem Atelier, im Labor oder am Rednerpult behauptet? Wie sie scheitert und weitermacht. Auch da kann man Geigenmusik drunterlegen.

Wie geht es besser?

Der mehrfach Oscar-nominierte Film „Hidden Fi­gures“ erzählt von drei Nasa-Mathematikerinnen. „Die Eiserne Lady“ zeigt, wie die britische Premierministerin Margaret Thatcher mit Alter und Demenz umgeht. Und „Joy“ von 2015 handelt von der US-Amerikanerin Joy Mangano. Mit ihrer Erfindung des sich selbst auswringenden Mopps legte sie den Grundstein für ein millionenschweres Unternehmen. Alle drei Filme nehmen sich Zeit, den beruflichen Werdegang der Frauen mit allen Rückschlägen und Erfolgen zu zeigen. Realistisch eben.

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Die Streberin

Clint Eastwood steht neben Hilary Swank, die im Boxring steht

Hilary Swank in „Million Dollar Baby“ Foto: Warner

Der Typ

In fast allen Filmen mit Hilary Swank spielt sie den Typ „Streberin“. Als Lehrerin bringt sie zum Beispiel in „Freedom Writers“ eine Schulklasse, die alle anderen Lehrer aufgegeben haben, zum Collegeabschluss. Als Anwältin in „55 Steps“ setzt sie sich für das Mitspracherecht von Patienten in psychiatrischer Behandlung bei ihrer eigenen Medikation ein. In „Million Dollar Baby“ lernt sie boxen und erarbeitet sich eine Karriere. Ihre Figuren brüten bis in die Nacht über Lehrplänen und Akten oder hauen auf Boxsäcke ein.

Das Prinzip

Beinahe der gesamte Plot konzentriert sich hier auf den Beruf. Auf die Freude und Stärke, die man daraus ziehen kann. Nicht die Anerkennung anderer steht im Vordergrund, sondern Selbstbestimmung. Es müssen nicht Charme, gute Kontakte und Intrigen sein, die einen beruflich weiterbringen. Auch harte Arbeit und Hartnäckigkeit können ans Ziel führen. So sympathisch wie die Romcom-Frau ist sie selten. Zum Glück.

Das Problem

Es gibt keines. Zwar fehlt den Figuren manchmal ein Privatleben, und oft sind sie Einzelgängerinnen. Dennoch ist die Streberin ein differenzierter Gegenentwurf zur Romcom-, Biopic- und Karrierefrau. Mit ihren diversen Eigenschaften – selbstsicher, schüchtern, nerdig, arrogant, stur oder nett – ist sie ein optimales Vorbild.

Wie macht man es richtig?

Wie gesagt, die Filme mit Hilary Swank schauen: „Million Dollar Baby“ (Swank als Boxerin), „Freedom Writers“ (Swank als Lehrerin), „55 Steps“ (Swank als Krankenschwester und Anwältin), „Betty Anne Waters“ (Swank als Anwältin), „The Homesman“ (Swank als Landbesitzerin), „Mary & „Martha“ (Swank als Aktivistin).

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