Stets Fahrkartenkontrolle: Bus-Einstieg vorn schreckt ab
Fahrgäste in Hamburg müssen seit einem Monat ihr Ticket zeigen. Das schreckt Schwarzfahrer ab. Allein die Hochbahn nahm 320.000 Euro mehr ein.
Hier kann überall eingestiegen werden: Bus der stark frequentierten Linie 6. Bild: HVV
HAMBURG taz | Kontrolle zahlt sich aus: Weil die Hamburger seit einem Monat in Bussen vorne einsteigen und ihre Fahrkarten zeigen müssen, hat die Hamburger Hochbahn (HHA) im Vergleich zum Vorjahr rund 320.000 Euro mehr eingenommen. Der Barverkauf von Tickets sei um zehn bis 15 Prozent gewachsen, sagt Hochbahn-Sprecher Christoph Kreienbaum. Die Bremer Straßenbahn (BSAG) prüft derzeit, ob sie dem Hamburger Modell folgen will.
Als eines von mehreren Unternehmen lässt die Hochbahn im Auftrag des Hamburger Verkehrsverbunds (HVV) Busse fahren. Seit Ende 2010 versucht der HVV durch bessere Kontrollen das Schwarzfahren in den Griff zu bekommen. Nach eigener Schätzung entgehen dem Verkehrsverbund, der Hamburg und dessen Nachbarlandkreise umfasst, 24 Millionen Euro pro Jahr durch Schwarzfahrer. 2010 nahm der HVV insgesamt 617 Millionen Euro ein.
Als Teil seines neuen „Fahrkartenprüfkonzepts“ besann sich der Verkehrsverbund darauf, die Fahrgäste in Bussen nur noch vorne einsteigen zu lassen. Pilotversuche in Harburg und Bergedorf im Frühjahr 2011 erwiesen sich als erfolgreich: Der Anteil der Schwarzfahrer sank von 6,6 auf 1,7 Prozent in Harburg und von 4,8 auf 1,9 Prozent in Bergedorf. 79 Prozent der befragten Fahrgäste und 81 Prozent der Fahrer bewerteten den Einstieg vorn neutral oder positiv.
Am 5. März weitete der HVV das Modell auf das gesamte Busnetz aus. Nur drei besonders gefragte Linien blieben außen vor. „Die Unternehmen berichten unisono, dass es gut läuft“, sagt HVV-Sprecherin Gisela Becker. Die Fahrgäste würden gerade befragt. Vergleichskontrollen seien für den laufenden Monat geplant. Becker rechnet mit Mehreinnahmen von rund sechs Millionen Euro. Die Beschwerden hielten sich in Grenzen: knapp 500 bei 500.000 Fahrgästen am Tag – das sei „relativ wenig“.
Der Hamburger Verkehrsverbund will die Verluste durch Schwarzfahrer verringern. Dazu gehören:
Effizientere Kontrollen, bei denen das Personal schwerpunktmäßig dort eingesetzt werden soll, wo besonders viele ohne Fahrkarte unterwegs sind.
Der Einstieg vorn, wo jeder Fahrgast dem Fahrer seine Fahrkarte zeigen muss. Die Hochbahn räumt ein, dass bei dem schnellen Blick auf die Karte nicht jede falsche Fahrkarte erkannt werde. Diese so genannten Sichtkontrolle habe aber einen abschreckenden Effekt.
Auch der Pünktlichkeit im System hat der Einstieg vorn angeblich keinen Abbruch getan. „Wir haben im Moment keine fahrplanrelevanten Verspätungen“, sagt Hochbahn-Sprecher Kreienbaum. Der Einstieg vorne verbessere sogar den Fahrgastfluss.
Kreienbaum geht nicht davon aus, dass sich das höhere Einnahmen-Niveau der ersten Wochen halten lassen wird. Das sei schon bei den Pilotversuchen sichtbar geworden. „Das pendelt sich ein, aber auf einem höheren Niveau“, sagt der Hochbahn-Sprecher.
Wer die Busse der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) benutzen will, muss zurzeit ab 20 Uhr vorne einsteigen. Bremen beobachte die Veränderungen in Hamburg, sagt BSAG-Sprecher Jürgen Lemmermann. „Wir setzen uns mit dem Thema kritisch auseinander.“ Demnächst werde es dazu wohl eine Entscheidung geben.
Leser*innenkommentare
jjpreston
Gast
Und genau da setzen die Piraten an: Steuerfinanzierter, fahrscheinloser ÖPNV. Alle zahlen solidarisch, alle dürfen jederzeit fahren.
Aber für die Etablierten ist das ja "Kostenlos-Kultur".
Ich warte noch auf die Zahl der Menschen, die ihre Abokarten verloren haben und dann in der Steinstraße neu beantragen müssen...
pablo
Gast
Die Busse verspätem sich seit der Einführung täglich auf meiner strecke.
Fridolin
Gast
Bei solchen Zusatzeinnahmen könnte der HVV ja mal kräftig die Preise senken. Eine einfache Fahrt ab ca. 6 oder 7 Stationen kostet stolze 2,85 €. Das ist eine Frechheit, die ich auch als Normalverdiener boykottiere, ich fahre grundsätzlich Rad. Wie kommen eigentlich Minijobber oder Lohndumping-Betroffene in Hamburg zur Arbeit? Ermäßigte Zeitkarten (CC) gelten erst ab 9 Uhr. Allenfalls die Wochenkarten haben akzeptable Preise, aber damit ist man an kleine Zonen gebunden. Der HVV will die Preise grundsätzlich an die Inflationsrate koppeln. Die Löhne von Geringverdienern tun dies aber nicht. Öffentlicher Nahverkehr muß für alle erschwinglich sein!
B. Neumann
Gast
Meiner Beobachtung nach sind die meisten Fahrgäste von dem Prozedere eher ziemlich genervt, weil sich das Einsteigen teils ziemlich hinzieht. Zumindest ein Teil der Fahrer scheint von ihrer neuen Aufgabe auch nicht gerade begeistert zu sein.
Ich selbst weiche vermehrt auf die U/S-Bahnen aus.
Wolfgang Banse
Gast
Schwarzfahren darf nicht auf Kosten von Ticketbesitzern gehen
Schwarzfahrer dürfen nicht hoffen auf die Solidartgemeinschaft.Sie erschleichen sich eine Dienstleistung,die sie nicht eine Ticketgebühr entrichtet habe d dem entsprechend müssen sie mit einem erhöhten Bu0geld belegt werden.Sollte Schwarzfahren zum Alltag gehören,was 3x nacheinander betrifft,so sollte dies mit einer Anzeige geahndet werden.
Nicht mehr als Rechtb ist es,wenn man einen Bus betritt,dass man seinen gültigen Fahrschein vorlegt,beziehungsweise beim Fahrpersonal sein Ticket käuflich erwirbt.Ein Einsteigen im hinteren Teil des Busses sollte nicht zulässig sein,es sei denn was einen Rollstuhlfahrer,eine Mutter,ein Vater mit einem Kinderwagen betrifft.
Alles hat Grenzen,auch was das Schwarzfahren betrifft.